Eine Hand hält eine Glaskugel vor eine Landstraße. Das Bild steht für eine veränderte Perspektive – ein zentrales Element von Effectuation, dem Ansatz, mit vorhandenen Ressourcen neue Möglichkeiten zu schaffen.

Erfolgreich in unsicheren Zeiten – ganz ohne Glaskugel

Hast Du auch manchmal das Gefühl, als Solopreneur ständig auf unsicherem Terrain unterwegs zu sein? Willkommen im Club! Klassische Businesspläne taugen vor allem für stabile Märkte – doch wie gehst Du damit um, wenn sich Dein Umfeld ständig verändert oder es noch gar keinen Markt für Deine Idee gibt? Hier kommt Effectuation ins Spiel – ein Ansatz, der Dir hilft, unter Unsicherheit kluge Entscheidungen zu treffen und Dein Business aktiv zu gestalten. 

Statt Dich auf vermeintlich verlässliche Prognosen zu verlassen, arbeitest Du mit dem, was Du verfügbar hast, gehst kleine Schritte und nutzt Veränderungen als Chancen. Klingt nach einem passenden Ansatz für Solopreneure, oder?

Was ist Effectuation – und warum ist es für Dich als Solo-Gründer relevant?

Effectuation ist ein unternehmerischer Entscheidungsansatz, der sich von klassischen Planungsmethoden unterscheidet. Während traditionelle Business-Strategien darauf setzen, Märkte ausgiebig zu analysieren und Entscheidungen auf Basis von Prognosen zu treffen, setzt Effectuation darauf, dass Du mit den bereits vorhandenen Mitteln schnell ins Tun kommst und unterwegs lernst. Das bedeutet:

Du startest mit dem, was Du hast – Deiner Leidenschaft, Deinen Fähigkeiten, Deinen Kontakten und anderen Mitteln, statt lange Zeit nach der vermeintlich besten oder lukrativsten Geschäftsidee zu suchen.

Du begrenzt den Verlust, indem Du nur so viel investierst, wie Du zu verlieren bereit bist, statt auf den potenziellen Gewinn zu schielen. Du setzt nicht alles auf eine Karte, sondern immer nur so viel, dass Du bei einem kompletten Scheitern noch genug Reserven hast, um das nächste Vorhaben anzugehen.

Du bist offen für Partner, die sich aktiv für die gemeinsame Idee engagieren, statt lange nach einem vermeintlich besten oder günstigsten Lieferanten zu suchen. Gemeinsam und auf Augenhöhe erschafft Ihr etwas Neues, 

Du nutzt Umstände und Zufälle, um neue Chancen zu kreieren, statt Dich nur auf die möglichen Gefahren zu konzentrieren.

Du gestaltest Deine Zukunft aktiv selbst, statt in Analyse und Planung zu verharren und auf die perfekte Gelegenheit zu warten.

Diese Prinzipien sind übrigens eng verwandt mit dem sogenannten Bootstrapping – also der Idee, ein Business ohne Fremdkapital und mit begrenztem Risiko aufzubauen. Mehr dazu erfährst Du auch im Artikel Bootstrapping für Solopreneure – Mindset statt Millionen.

Umgang mit dynamischen Veränderungen

Für Solo-Gründer ist ein solcher Ansatz in unsicheren Zeiten mit dynamischen Veränderungen Gold wert, denn es hilft Dir, ins Tun zu kommen und dabei Deine einzigartigen Mittel und Stärken einzusetzen. 

Effectuation hilft Dir beim Umgang mit dynamischen Veränderungen.
Effectuation hilft Dir beim Umgang mit dynamischen Veränderungen.

Klassische Analyse und Planung machen immer dann Sinn, wenn Du Dich in einem Markt bewegst, der schon existiert und relativ stabil funktioniert. Wenn Du allerdings Neuland erkunden, also beispielsweise ein neuartiges Produkt in einem hochdynamischen Umfeld platzieren möchtest, dann könnten Analyse und Planung im besten Fall einfach Zeitverschwendung für Dich sein. Im schlimmsten Fall verlässt Du Dich zu sehr auf die Ergebnisse Deiner Analyse und Planung, triffst falsche Entscheidungen und verpasst die Chancen, die sich Dir eröffnen. 

Effectuation vs. andere Methoden – Ein Überblick

Effectuation wird oft mit anderen modernen Innovationsansätzen wie Lean Startup oder Design Thinking verglichen. Die Unterschiede findest Du hier in der Übersicht:

AnsatzZielFokusUmgang mit RisikenTypische Anwendung
EffectuationGestaltung der Zukunft unter UngewissheitEigene verfügbare Mittel, Umstände und ZufälleLimitierung des VerlustesUnternehmertum & neue Geschäftsideen
Design ThinkingKreative ProblemlösungProblemverständnis und Nutzerbedürfnisse Iteratives TestenInnovation & Produktdesign
Lean StartupSchnell testen, lernen, skalierenHypothesen über den Markt und ExperimenteKurze Zyklen und schnelles AnpassenStartups, Produktentwicklung
Effectuation, Design Thinking & Lean Startup im Vergleich

Während der Fokus von Lean Startup und Design Thinking vor allem auf potenziellen Kunden, deren Bedürfnissen und den Marktpotenzialen für neue Produkte liegt, liegt der Fokus von Effectuation auf Dir und Deinen individuellen Mitteln. 

Lässt sich Effectuation mit Lean Startup & Design Thinking kombinieren?

Absolut! Effectuation beschreibt die unternehmerische Haltung unter Ungewissheit und bildet die Grundlage für Entscheidungen und Handlungen. Lean Startup und Design Thinking sind konkrete Herangehensweisen, um aus Ideen konkrete Produkte zu entwickeln, die am Markt erfolgreich sind.

Effectuation, Design Thinking und Lean Startup ergänzen sich ideal für Solopreneure: Denn was wäre eine tolle Produktidee mit großem Potenzial wert, die Du per Design Thinking ermittelt hast, wenn Dir die notwendigen Mittel fehlen, um das Produkt mit Lean Startup zu entwickeln? Und umgekehrt: Was sind die tollsten Mittel und Ideen wert, wenn sie kein konkretes Problem lösen oder niemand bereit ist, dafür Geld auszugeben?

Um es konkret zu machen:

  • Starte mit Effectuation, um aus Deinen bereits vorhandenen Mitteln erste Geschäftsideen zu entwickeln, die zu Dir passen und die Du direkt angehen kannst.
  • Verwende Design Thinking, um diese Ideen kreativ zu konkretisieren und an den Problemen und Bedürfnissen Deiner Kunden auszurichten.
  • Setze auf Lean Startup, um schnell die wichtigsten Hypothesen zu testen und aus auf Basis echter Daten aus ersten Pretotypen ein erfolgreiches Produkt zu entwickeln.
  • Nutze Effectuation begleitend, um Deinen Verlust zu limitieren, Partner einzubinden und Veränderungen und Überraschungen zu Deinem Vorteil zu nutzen.

So nutzt Du die Vorteile aller drei Ansätze, um Dein Business agil und erfolgreich zu entwickeln.

Wie fängst Du an? Die ersten Schritte für Solo-Gründer

Führe eine Inventur Deiner persönlichen Mittel durch

Wofür brennst Du? (Ein wichtiger Aspekt, um auch die notwendige Ausdauer aufbringen zu können, um eine Idee wirklich zum Erfolg zu bringen.) Was kannst Du? (Was sind Deine besonderen Talente? Was hast Du erlernt? Was sind Deine Erfahrungen?) Wen kennst Du? (Wen kannst Du ansprechen, wen kannst Du mit ins Boot holen?) Welche weiteren Ressourcen stehen Dir noch zur Verfügung? (Ja, auch Geld gehört dazu.)

Wage erste kleine Experimente

Starte mit einer Idee und teste sie im Kleinen – mit den Mitteln, die Du schon hast, mit minimalem Einsatz. Lerne.

Suche Partnerschaften

Sprich mit anderen Solopreneuren oder Unternehmern (“Get out of the building” lautet ein geflügeltes Wort im Lean Startup) über Deine Ideen. Sei offen für Partnerschaften. So ergeben sich neue Perspektiven, neue Chancen und Du erweiterst Deine zur Verfügung stehenden Mittel.

Effectuation basiert auf Partnerschaften und Netzwerken.
Effectuation basiert auf Partnerschaften und Netzwerken.

Sei offen für Zufälle

Manchmal ergeben sich Möglichkeiten, die Du nicht vorhersehen konntest – suche gezielt danach, erkenne und nutze sie!

Diese ersten Schritte machst Du wahrscheinlich nicht nur ein einziges Mal und dann bist Du fertig und für immer erfolgreich. Die Märkte verändern sich, die Bedürfnisse Deiner Kunden verändern sich, auch Du veränderst Dich ständig. Also nutze diese Schritte, wann immer Du etwas Neues beginnen möchtest, z. B. weil Du ein neues Problem entdeckt hast, das Du lösen möchtest.

Typische Stolperfallen für Solopreneure – und wie Effectuation Dir dabei hilft

Einsamkeit & Isolation

Effectuation basiert auf Netzwerken und Partnerschaften. Dabei ist der Begriff “Partner” sehr weit gefasst. Partnerschaften helfen Dir nicht nur strategisch, sondern auch emotional. Tritt Communities bei, tausche Dich über Deine Ideen und über Deine Herausforderungen aus, suche Dir Mentoren und Sparringspartner!

Administrative Überlastung

Der Fokus auf die eigenen Mittel bedeutet auch: Du musst nicht alles können und alles machen. Automatisiere administrative Aufgaben oder outsorce sie an Partner – sonst frisst Dich der Papierkram auf und Du hast weder Zeit noch Energie, um Deine eigenen Stärken auszuspielen. 

Vermarktung des eigenen Angebots

Auch hier können Partnerschaften helfen: Wenn Du Partner findest, die bereits Zugang zu Deiner Zielgruppe haben, aber noch keine Lösung für das Problem anbieten, das Dein Produkt löst, dann kann das eine Win-Win-Win-Situation für alle Beteiligten sein. 

Finanzielle Unsicherheit

Denke in kleinen, sicheren Schritten. Fange mit dem an, was Du Dir wirklich leisten kannst. Je schneller Du lernst, desto größer wird die Sicherheit für die nächsten Entscheidungen. Setze nicht alles auf eine Karte, sondern immer nur so viel, dass Du noch ein As im Ärmel hast, auch wenn die Idee floppt. 

Bei Effectuation machst Du einen Schritt nach dem anderen.
Bei Effectuation machst Du einen Schritt nach dem anderen.

Gibt es praktische Beispiele für Effectuation?

Vielleicht denkst Du jetzt, dass das zwar alles total schön klingt, aber in der Realität ja doch nicht klappen kann. Nun halte Dich fest: Effectuation hat sich niemand ausgedacht, um die nächste Sau durchs Dorf zu treiben. Effectuation basiert zu 100 % auf Praxisbeispielen! Es ist die Beschreibung des beobachteten Verhaltens erfolgreicher Gründerinnen und Gründer unter Ungewissheit, also in hochdynamischen oder noch nicht existierenden Märkten und unter unsicheren Umständen. 

Die Forschung zeigt, dass unter Ungewissheit nicht die innovativste Vision und das perfekte Konzept erfolgreich ist, sondern Persönlichkeiten, die mit ihren vorhandenen Mitteln, unter akzeptablen Risiken, mit Partnerschaften auf Augenhöhe und unter Nutzung zufälliger Gelegenheiten ihr eigenes Business aktiv gestalten. 

Hier nun einige Beispiele:

Mittelorientierung

  • Freitag-Taschen: Die Gründer begannen mit alten LKW-Planen, Sicherheitsgurten und Fahrradschläuchen – bereits vorhandene Materialien, über sie buchstäblich stolperten. Daraus entstanden Ideen für robuste, wasserdichte Taschen, heute eine Kultmarke.
  • Amazon Web Services (AWS): Amazon baute die eigene IT-Infrastruktur für ihr Kerngeschäft so aus, dass sie ungenutzte Ressourcen auch anderen Firmen als Cloud-Dienst zur Verfügung stellen konnten – heute ein überaus profitables Geschäft, das eher zufällig entstanden ist, weil die Ressourcen eh da waren.

Leistbarer Verlust

  • Sprints in Scrum oder Lean Startup: In kurzen Iterationen wird getestet, was funktioniert, bevor große Summen investiert werden. Unternehmen können es sich leichter leisten, einen Sprint von 2 bis 4 Wochen vor die Wand zu fahren und daraus zu lernen, als ein mehrmonatiges Projekt auf Basis falscher Annahmen in den Sand zu setzen. 
  • VC-Investments: Wagniskapitalgeber streuen ihre Investments bewusst, wohlwissend, dass nicht alle Startups erfolgreich sein werden – die Verluste sind einkalkuliert.

Partnerschaften

  • Bands: Engagierte Musiker tun sich zusammen, um gemeinsam etwas Neues zu schaffen, was sie allein so nicht könnten. Dazu sind nicht unbedingt die besten Einzelmusiker notwendig. Gecastete „Bands“ sind oft nur kurzfristig erfolgreich und selten innovativ.
  • Wikipedia: Ein Netzwerk freiwilliger Autoren gestaltet gemeinsam eine der größten Wissensplattformen der Welt, ohne dass jemand einen vollständigen Plan aufgestellt und dann die vermeintlich besten Expertinnen und Experten als Autoren eingeladen hat.

Zufälle nutzen

  • Die Erfindung des Teebeutels: Ursprünglich als Verpackung für den Transport von Tee-Proben gedacht, fanden Kunden es praktisch, den Tee einfach im Beutel zu lassen – daraus entstand ein völlig neues Produkt. 
  • IPA-Bier: Britische Brauer fügten Bier mehr Hopfen hinzu, um es für den langen Transport nach Indien haltbar zu machen, dort sollte es mit Wasser verdünnt werden  – heute ist (unverdünntes) India Pale Ale eine der beliebtesten Biersorten weltweit.
Effectuation zeigt: Erfolg entsteht oft nicht durch perfekte Planung, sondern durch geschicktes Nutzen der vorhandenen Möglichkeiten.

Wo kannst Du mehr erfahren und Dich vernetzen?

Lies mehr über Effectuation auf effectuation.de oder nimm direkt hier auf scamper mit mir Kontakt auf! Falls Du Audioformate magst, kannst Du Dir auch eine Podcastfolge zu Effectuation anhören.

Fazit: Starte jetzt – mit dem, was Du hast!

Effectuation ist der perfekte Ansatz für Solopreneure, um Ungewissheit nicht nur zu bewältigen, sondern gezielt für sich zu nutzen. Statt auf den perfekten Plan zu warten, kannst Du mit Deinen eigenen, bereits vorhandenen Mitteln loslegen, Risiken klein halten und Dein Business Schritt für Schritt aufbauen.

Was ist Dein nächster kleiner Schritt? Schreib es in die Kommentare und lass uns austauschen!

Kommentare

  1. Hey Heiko! Vielen lieben Dank, dass Du scamper einen Gastartikel spendiert hast. Ich freu mich sehr, dass Du Dein Know-how (zu Deinem Lieblingsthema?) mit uns teilst ❤️