Fail fast & forward – Heiter scheitern?
In der Gründerszene wird Scheitern sehr häufig regelrecht gefeiert. Und vielleicht wirkt das auf Dich zunächst ziemlich befremdlich. Denn wer scheitert schon gerne? Und warum sollte man das auch noch feiern?! Wann ist es tatsächlich sinnvoll, Fehler zuzulassen und daraus zu lernen? Und wann nicht? Besonders als Solo-Gründer, der noch ganz am Anfang steht oder sich in ungewissem Terrain bewegt, kann das Prinzip “fail fast & forward” von unschätzbarem Wert sein.
Inhaltsverzeichnis
Wann ist fail fast & forward sinnvoll?
Fail fast & forward ist immer dann sinnvoll, wenn Du Dich in einer Situation befindest, in der Du kein oder noch sehr wenig Wissen darüber besitzt, was funktioniert und was nicht. Außerdem ist es Dir in Deiner aktuellen Situation unmöglich, dieses Wissen durch eine vorherige Analyse zu gewinnen.
- Wenn Du zum Beispiel noch ganz am Anfang Deiner Unternehmerkarriere stehst, weil Du gerade erst gegründet hast.
- Oder wenn Du ein neues, innovatives Produkt entwickeln möchtest, bei dem nicht sicher ist, ob Deine Kunden es tatsächlich annehmen werden.
- Oder wenn Dein Markt einem soziodemografischen, technologischen oder kulturellem Wandel unterliegt und nicht klar ist, in welche Richtung er sich verändern wird.
Kurz gesagt: Du bist mit viel Ungewissheit, Komplexität, schnellen Veränderungen und/oder Mehrdeutigkeiten konfrontiert. Umschrieben wird so ein hochdynamisches Umfeld auch mit dem Akronym VUCA (Volatility, Uncertainty, Complexity & Ambiguity).
Fail fast & forward ist “schnelles Lernen”
Weil Du in solchen Situationen im Grunde keinerlei gesicherte Informationen hast, ist alles, was Du “weißt”, zunächst nicht mehr als eine Annahme oder Hypothese. Als erstes musst Du Dir also darüber klar werden, welche Deiner aktuellen Informationen gewiss und welche ungewiss sind. Hierzu kannst Du zum Beispiel auf die Assumption Map zurückgreifen.
Im zweiten Schritt musst Du dann diejenigen Deiner Vermutungen validieren, die für Deine Idee besonders wichtig sind und bei denen gleichzeitig große Ungewissheit herrscht. Erreichen kannst Du das durch einfache, schnelle und kostengünstige Tests & Experimente.
Und genau das ist mit Fail fast & forward gemeint: Denn wenn Du gar keine Gewissheiten hast, ist es vollkommen egal, ob sich Deine Hypothesen bestätigen oder widerlegen, weil beides einen Wissenszuwachs für Dich bedeutet.
Bei fail fast & forward geht es nicht darum, schnell Fehler zu machen, sondern schnell hinzuzulernen.
Denn je früher Du Deine Annahmen bestätigen oder widerlegen kannst, desto schneller ist Dein Lernprozess. Deswegen ist es beispielsweise ratsam, Dir für eine neue Produktidee so früh wie möglich Feedback von Deinen potenziellen Kunden und Nutzern zu holen. Nichts wäre schlimmer, als 2 Jahre viel Zeit, Mühe und Geld in eine Produktidee zu investieren, nur um dann erst festzustellen, dass Deine Kunden das Produkt ablehnen oder es in der Praxis gar nicht funktioniert.
Risikominimierung durch Experimente
Experimente helfen Dir dabei, Dein Risiko zu minimieren. Statt also direkt mit viel Geld Dein Produkt zu entwickeln, greifst Du auf kostengünstige Prototypen zurück. Statt Deine Geschäftsidee sofort in die Tat umzusetzen, führst Du zunächst Interviews mit Deinen potenziellen Kunden und Nutzern durch.
Je größer die Komplexität und Ungewissheit für Dich ist, desto kostengünstiger, einfacher und schneller sollten Deine Tests & Experimente dabei sein.
Fail fast & forward bedeutet nicht, dass Du absichtlich Fehler machst
Auch wenn Dir der Ausdruck “Fail fast & forward” vielleicht einen anderen Eindruck vermittelt, geht es nicht darum, absichtlich Fehler zu machen. Kurz gesagt: Natürlich solltest Du immer noch sorgfältig abwägen und Dir vorher gut überlegen, was Du tust.
Du solltest Deine Analyse und Vorbereitungen eben nur nicht übertreiben und tausende Optionen und Möglichkeiten durchdenken, bevor Du beginnst zu handeln. Hier spricht man auch gerne von Paralyse durch Analyse.
Fail fast & forward bedeutet nicht, dass Du blindlings einfach “irgendwas tust” und Dich dann über jeden Misserfolg freust. Fail fast & forward heißt, dass Du schnell hinzulernst (fail fast) und Dich auch Misserfolge und widerlegte Hypothesen voranbringen (fail forward).
Fehler vs. Irrtum
Im Grunde ist es deshalb auch gar nicht sinnvoll in komplexen Situationen von “Fehlern” zu sprechen. Ein Fehler wäre es ja nur dann, wenn Du schon vorher hättest wissen können, dass Deine Vermutung nicht stimmt. Wenn Du an einer Stromleitung herumbastelst und einen Stromschlag kriegst, weil Du den FI-Schalter nicht ausgeschaltet hast, wäre das ein vermeidbarer (und dummer) Fehler. Dazu musst Du nämlich kein Experiment durchführen. Hier sind Ursache und Wirkung klar erkennbar und das notwendige Wissen ist bereits vorhanden.
Wenn Du allerdings ein Produkt entwickeln möchtest, das vollkommen neu ist, dann weißt Du eben nicht, ob Deine Zielgruppe es annehmen wird. Und natürlich kann es sein, dass Du durch Deine Tests & Experimente herausfindest, dass Deine Zielgruppe das Produkt tatsächlich ablehnt. Das ist dann jedoch kein Fehler, sondern ein Irrtum. Du hattest also eine Annahme bzw. Hypothese, die Du durch ein Experiment widerlegt hast.
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