Ein Mann in roter Kleidung schaut durch ein Fernglas und lehnt sich durch ein aufgerissenes Loch in einer roten Wand. Sein Blick wirkt suchend und neugierig. Das Bild symbolisiert die Idee der Nichtkunden in der Blue-Ocean-Strategie – potenzielle Märkte und Kundengruppen, die bisher übersehen wurden und neue Wachstumschancen bieten.

Nichtkunden – die unentdeckte Wachstumschance

Die meisten Solo-Gründer konzentrieren sich darauf, in ihrem Markt ein Nische zu finden und ein ganz besonders spezielles Angebot für dieses Kundensegment zu entwickeln. Doch der wahre Schatz liegt oft jenseits des Offensichtlichen: bei den Nichtkunden. Diese Menschen, Unternehmen oder Organisationen stehen bislang außerhalb Deines Marktes, bieten Dir jedoch ungeahntes Wachstumspotenzial – wenn Du sie entdecken kannst.

Warum das so ist und wie Du Dir dieses Potenzial gezielt erschließen kannst, erfährst Du in diesem Artikel.

Was genau sind Nichtkunden?

Bevor wir loslegen, müssen wir den Begriff Nichtkunden noch einmal kurz klären, um Missverständnisse zu vermeiden: Nichtkunden bedeutet nicht, dass diese Menschen (oder Unternehmen) „nicht Deine Kunden“ sind.

Nichtkunden sind Nicht-Kunde Deiner ganzen Branche. Sie sind also weder bei Dir noch bei irgendeinem anderen Anbieter oder Mitbewerber in Deinem Markt Kunde.

Die 3 Gruppen von Nichtkunden

Nichtkunden unterteilen sich in drei verschiedene Gruppen, die individuelle Besonderheiten haben. Die Blue-Ocean-Strategie unterscheidet zwischen baldigen, ablehnenden und unentdeckten Nichtkunden.

Nichtkunden unterscheiden sich in baldige, ablehnende und unentdeckte Nichtkunden
Nichtkunden unterscheiden sich in baldige, ablehnende und unentdeckte Nichtkunden

Baldige Nichtkunden

Die erste Gruppe, die für Dein neues Geschäftsmodell interessant sind, sind die baldigen Nichtkunden (engl. Soon-to-be Noncustomers). Das sind Kunden und Nutzer, die Produkte nur aus einem einzigen Grund verwenden bzw. kaufen: Sie haben aktuell gar keine andere Alternative!

Baldige Nichtkunden sind also derzeit noch Kunde einer Branche, aber würden sofort wechseln, wenn ihnen irgendjemand eine Alternative anbieten würde. Im Kopf sind sie deshalb „immer schon auf dem Absprung“ und dementsprechend aufmerksam für alternative Angebote.

Beispiel für baldige Nichtkunden in der Branche „Grafikdesign“

Größere Unternehmen, die aktuell mit Design-Agenturen zusammenarbeiten, aber mit den hohen Kosten und langsamen Reaktionszeiten unzufrieden sind. Sie denken darüber nach, eigene interne Teams aufzubauen oder auf günstigere Alternativen wie DIY-Tools (z. B. Canva) umzusteigen.

Allerdings scheuen sie davor zurück, weil sie einerseits nicht genau wissen, wie sie diese Teams aufbauen sollten und andererseits nicht mit den Ergebnissen von Canva zufrieden sind. Aus diesem Grund bleiben sie Kunde bei Design-Agenturen, würden aber sofort wechseln, wenn ihnen jemand Alternativen anbieten würde.

Ablehnende Nichtkunden

Die zweite wichtige Gruppe sind ablehnende Nichtkunden (engl. Refusing Noncustomers). Das sind Menschen, Organisationen oder Unternehmen, die sich mit den Produkten und Angeboten einer Branche befasst haben, aber diese aus bestimmten Gründen ablehnen. Die existierenden Angebote aller Anbieter passen nicht für sie, weshalb sie sich aktiv dagegen entschieden haben.

Ablehnende Nichtkunden haben sich schon mit Deiner Branche beschäftigt
Ablehnende Nichtkunden haben sich schon mit Deiner Branche beschäftigt

Häufig nutzen sie deshalb alternative Angebote aus anderen Branchen. Manchmal kommt es jedoch auch vor, dass sie gar nichts unternehmen, weil andere Angebote ebenfalls nicht so recht für sie passen. In diesen Fällen greifen sie dann auf Workarounds zurück, die mehr schlecht als recht funktionieren.

Beispiel für ablehnende Nichtkunden in der Branche „Grafikdesign“

Kleinunternehmer oder Selbstständige lehnen professionelles Grafikdesign von Agenturen oft bewusst ab. Sie sind sich zwar bewusst, dass ein gutes Logo oder ein professionelles Webdesign für ihren Auftritt sinnvoll und wichtig sind, sehen aber den Nutzen in einer individuellen Gestaltung nicht. Deshalb greifen sie stattdessen auf Standard-Logos zurück und verwenden fertige Themes für ihren Internetauftritt.

Unentdeckte Nichtkunden

Die dritte und größte Gruppe sind die sogenannten unentdeckten Nichtkunden (engl. Unexplored Noncustomers). Diese Zielgruppe hat tatsächlich zwei Besonderheiten:

Zum einen haben die Anbieter einer Branche diese Nichtkunden im Blick. (Niemand hat bisher darüber nachgedacht, dass es sinnvoll sein könnte, ein Angebot für diese Zielgruppe zu entwerfen.)

Zum anderen haben aber auch die Nichtkunden selbst weder die Branche noch deren Angebote im Blick. Die unentdeckten Nichtkunden kämen also ebenfalls nicht auf die Idee, dass eine bestimmte Branche gute Lösungen für ihre Herausforderungen bereithalten könnte.

Beispiel für unentdeckte Nichtkunden in der Grafikdesigner-Branche

Hobby-Künstler, wie Maler, Musiker oder Autoren, die ihre Werke digital präsentieren möchten, könnten professionelle Designs für Poster, Albumcover oder Buchcover benötigen. Sie wissen oft nicht, dass sie sich an Grafikdesigner wenden können, um ihre Arbeiten aufzuwerten. Auch die Grafikdesigner selbst haben noch nie darüber nachgedacht, dass Hobby-Künstler eine lohnende Zielgruppe für sie sein könnten.

Hobby-Künstler können eine Zielgruppe für Grafikdesigner sein
Hobby-Künstler können eine Zielgruppe für Grafikdesigner sein

Die Herausforderung besteht hier natürlich darin, ein innovatives Geschäftsmodell zu entwickeln, das für diese unentdeckten Nichtkunden passt. Denn es reicht natürlich nicht aus, Hobby-Künstlern „einfach mitzuteilen“, dass sie sich ja auch an Grafikdesigner wenden können.

Nichtkunden im Überblick

Die drei genannten Gruppen unterscheiden sich außerdem hinsichtlich ihrer Größe. Die Blue-Ocean-Strategie spricht deshalb auch von sogenannten „Tiers“ (dt. Stufen, Lagen bzw. Ebenen). Je weiter entfernt sie von Deinem aktuellen Markt sind, desto größer werden diese Ebenen.

Gemeinsamkeiten zwischen Kunden & Nichtkunden

Wenn Du ein innovatives Geschäftsmodell entwickeln möchtest, das sich auf Nichtkunden fokussiert, bedeutet das jedoch nicht, dass Du „einfach irgendwen anderes“ als neues Kundensegment definierst. Denn trotz aller Unterschiede haben Kunden und Nichtkunden Deiner Branche ein verbindendes Element.

Als erstes musst Du diese Gemeinsamkeit entdecken, um zu entscheiden, welche Zielgruppe lohnenswert für Dich ist.

Jobs to Be Done als verbindendes Element

Das verbindende Element ist ein gemeinsamer Job to Be Done, den sowohl Kunden als auch Nichtkunden Deiner Branche teilen. Lass mich Dir dazu ein kurzes Beispiel geben:

Beispiel

Unternehmen und Organisationen, die expandieren und sich international aufstellen möchten, benötigen die Dienste der Übersetzungsbranche, um ihre Internetseite in mehreren Sprachen zur Verfügung zu stellen. Der Job to Be Done dieser Unternehmen ist in diesem Fall Kommunikation mit Menschen, die eine andere Sprache sprechen.

Diesen Job to Be Done haben jedoch nicht nur große, expandierende Konzerne, sondern auch andere Organisationen und Menschen, die von der Übersetzungsbranche nicht (oder nur schlecht) bedient werden:

  1. Baldige Nichtkunden: Große Konzerne, die aktuell die Angebote der Übersetzungsbranche nutzen, jedoch unzufrieden wegen langer Wartezeiten und hoher Preise sind. Übersetzungen für „spezielle Sprachen“ sind besonders teuer.
  2. Ablehnende Nichtkunden: Kleine Unternehmen, die expandieren möchten, haben sich zwar mit der Möglichkeit zur Übersetzung beschäftigt, können sich aber professionelle Übersetzungen durch Agenturen oder Selbstständige oft nicht leisten. Sie haben sich darauf verlegt, nur Englisch als zweite Sprache auf ihrer Webseite anzubieten.
  3. Unentdeckte Nichtkunden: Blogger könnten sich prinzipiell eine deutlich größere Zielgruppe für ihren Blog erschließen, haben aber noch nie darüber nachgedacht, ihre Artikel auch in einer anderen Sprache als ihrer Muttersprache online zu stellen. Gleichzeitig haben die Anbieter der Übersetzungsbranche nicht darüber nachgedacht, sich Blogger als neues Kundensegment zu erschließen.
BrancheJob to Be DoneBaldige NichtkundenAblehnende NichtkundenUnentdeckte Nichtkunden
ÜbersetzungsbrancheKommunikation mit „fremdsprachigen Menschen“KonzerneKleine UnternehmenBlogger

Mit Design Thinking die Wünsche von Nichtkunden entdecken

Wenn Du Dein neues Kundensegment identifiziert hast, kannst Du darangehen, mehr über Deine neue Zielgruppe erfahren. Denn in der Regel wirst Du noch wenig darüber wissen, wie ein innovatives Angebot für diese genau aussehen sollte.

An dieser Stelle ist Design Thinking eine große Hilfe für Dich, weil es Dich dabei unterstützt, den Problem Solution zu erzeugen.

Führe Interviews mit Nichtkunden

Explorative Interviews helfen Dir dabei, Deine neue Zielgruppe besser zu verstehen. Insbesondere bei ablehnenden Nichtkunden kannst Du in Erfahrung bringen, warum sie Produkte und Dienstleistungen Deiner Branche ablehnen und wieso sie Angebote anderer Branchen bevorzugen.

User Interviews
Explorative Interviews mit Nichtkunden sind eine wertvolle Informationsquelle für Dich.
Die Ergebnisse dieser Interviews kannst Du auch mit Hilfe der Four Forces of Progress festhalten.

Begleite Nichtkunden im Alltag

Auch Methoden, die speziell für die zweite Phase des Design Thinking Prozesses (Menschen beobachten) gedacht sind, helfen Dir dabei, Nichtkunden besser zu verstehen. Beim sogenannten User Shadowing begleitest bzw. beobachtest Du Deine Zielgruppe in ihrem Alltag und erhältst dadurch wertvolle Einblicke darüber, wie sie bestimmte Produkte verwenden. (Und vor allem, welche Herausforderungen davor und danach auf sie lauern.)

Alternativ kannst Du auch ähnliche Methoden wie Fly on the Wall oder A Day in the Life dazu nutzen.

Besonders hilfreich sind diese Methoden natürlich für baldige Nichtkunden. Sie können Dir aber auch dabei helfen, den Alltag von ablehnenden und unentdeckten Nichtkunden besser zu verstehen.

Fertige eine Empathy Map an

Die Empathy Map ermöglicht es Dir, die Perspektive von Nichtkunden besser zu erfassen, indem sie aufzeigt, was diese denken, fühlen, sagen und tun. So erhältst Du tiefere Einblicke in ihre Bedürfnisse, Herausforderungen und Barrieren, die sie bislang von Deiner Branche fernhalten – und kannst gezielt Angebote entwickeln, die ihren Erwartungen entsprechen.

Führe Co-Creation-Workshops durch

Wenn Du etwas mehr Aufwand betreiben möchtest, bietet sich auch Co-Creation an. Co-Creation ist ein weiterer, effektiver Weg, um die Bedürfnisse und Sichtweisen von Nichtkunden besser zu verstehen.

Co-Creation Design Thinking Workshop
Co-Creation Design Thinking Workshop

Indem Du Deine neue Zielgruppe direkt in den Entwicklungsprozess einbindest, erhältst Du wertvolle Einblicke in ihre Herausforderungen, Erwartungen und potenziellen Anwendungsfälle. Diese Methode hilft Dir, Annahmen zu hinterfragen und gemeinsam innovative Lösungen zu entwickeln, die genauer auf die Anforderungen Deiner neuen Zielgruppe abgestimmt sind.

Fazit

Die drei Gruppen von Nichtkunden bieten Dir enorme Möglichkeiten, Dein Geschäftsmodell innovativ auszurichten und Dir neue Märkte zu erschließen. Entscheidend ist dabei, Gemeinsamkeiten zwischen Kunden und Nichtkunden zu identifizieren, insbesondere durch ihren geteilten Job to Be Done.

Mit Design Thinking Methoden wie Interviews, Beobachtungen und Co-Creation gewinnst Du wertvolle Einblicke in ihre Bedürfnisse und Herausforderungen. So entwickelst Du passgenaue Angebote, die Deine Branche revolutionieren und einen echten Mehrwert für bisher unberührte Zielgruppen schaffen können.

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