
Wie Du die richtigen Interviewpartner auswählst
Wenn Du mehr über Deine Kunden herausfinden möchtest, kommst Du nicht daran vorbei, Dich mit ihnen zu unterhalten und Interviews mit ihnen zu führen. Klingt erstmal prima und einleuchtend. Allerdings sagt Dir niemand, mit wem Du am besten sprechen solltest. Gerade wenn Du ein Produkt für Unternehmen oder sogar Konzerne anbietest, ist der Kreis potenzieller Interviewpartner ja doch „recht groß“. Und Du kannst ja schlecht die ganze Firma interviewen.
Mit diesem Beitrag möchte ich Dir ein paar Möglichkeiten aufzeigen, wie Du Interviewees für Deine Recherche auswählen kannst und welche Grundgedanken Dich dabei leiten sollten.
Inhaltsverzeichnis
6 verschiedene Rollen für potenzielle Interviewpartner
Bevor ich näher darauf eingehe, wie Du Interviewees auswählen kannst, möchte ich Dir zunächst 6 verschiedene Rollen vorstellen, nach denen Du Deine potenziellen Interviewpartner gruppieren kannst. (Auf diese Weise schonmal „die Spreu vom Weizen trennen“, bevor Du Dich auf die Suche nach passenden Interviewees begibst.)
In der Praxis solltest Du zwischen den sechs Rollen User, Influencer, Recommender, Decision Maker, Economic Buyer & Saboteur unterscheiden.

Achtung: Ich spreche hier ganz bewusst von Rollen (und nicht von Menschen oder Personen). Es kann nämlich durchaus sein, dass ein einzelner Mensch mehrere Rollen in sich vereint oder dass es eine ganze Gruppe von Menschen gibt, die alle gemeinsam eine bestimmte Rolle ausfüllen. (Zum Beispiel wenn es in einem Unternehmen ein Gremium für bestimmte Aufgaben gibt.)
Nochmal Achtung: Manchmal werden diese Rollen auch als 6 verschiedene Kundensegmente bezeichnet, was ich persönlich ziemlich verwirrend finde. Deshalb nenne ich sie hier (und in anderen Beiträgen) einfach „Rollen“. (Falls Du eine noch bessere Idee hast, hinterlasse mir gerne einen Kommentar unten auf der Seite.)
User
Die erste Rolle, die für Dich als Interviewpartner in Frage kommt, ist der eigentliche Nutzer bzw. User Deines Produktes oder Services. Von Usern kannst Du sehr viel über die Alltagstauglichkeit Deines Produktes erfahren. Das hilft Dir natürlich ungemein, Dein Produkt immer weiter zu verbessern.

Influencer
Die zweite Gruppe potenzieller Interviewpartner sind die sogenannten Influencer. (Und damit meine ich jetzt nicht die Influencer aus der „Social Media Szene“.) Diese Menschen sind zwar nicht direkt beteiligt, wenn es um den Kauf oder die Nutzung Deines Produktes geht, üben aber (direkt oder indirekt) Einfluss auf Nutzer (User) oder Käufer (Economic Buyer) aus.
Beispiele für Influencer sind Bekannte, Freunde oder Familienmitglieder. Im Geschäftskundenbereich sind es Mitarbeiter, deren Meinung von sehr vielen als „besonders wichtig“ erachtet wird. (Das kann übrigens „berechtigt“ oder „unberechtigt“ sein. Maßgeblich ist hier eben nur, ob sie einen Einfluss ausüben oder nicht.)
Recommender
Recommender sind den Influencern recht ähnlich. Bei ihnen handelt es sich jedoch um ausgewiesene Experten im jeweiligen Themenbereich. Das gilt natürlich besonders in Unternehmen und Organisationen. Allerdings existieren auch im Privatkundengeschäft Recommender. Häufig sind es dann Familienmitglieder oder Freunde, die sich in einem Bereich gut auskennen und mögliche Optionen für einen Kauf besser auswerten können als der eigentliche User oder Economic Buyer.
Im Gegensatz zum Influencer haben Recommender also sowas wie einen anerkannten Expertenstatus, während Influencer nur „irgendwie wichtig“ sind.
Economic Buyer
Die vierte Rolle, die als Interviewpartner in Frage kommt, ist der Economic Buyer. In Unternehmen werden Economic Buyer beispielsweise oft damit beauftragt, eine Entscheidungsvorlage für Führungskräfte anzufertigen und dabei die Vor- und Nachteile von mehreren in Frage stehenden Produkten zusammenzutragen.

Economic Buyer leisten die meiste Arbeit, um den Kaufprozess voranzutreiben. Dabei
- vergleichen sie verschiedene Anbieter
- recherchieren in verschiedenen Quellen nach relevanten Informationen und
- entwickeln dabei auch Entscheidungskriterien
Mit Hilfe dieser Kriterien kürzen Economic Buyer die Liste möglicher Produkte immer weiter, bis schließlich nur noch 2 bis 3 potenzielle Anbieter bzw. Lösungen vorhanden sind. Oft treffen sie auch die finale Entscheidung und sind damit gleichzeitig auch Decision Maker (siehe unten).
Manchmal geben sie die Entscheidungsvorlage aber auch nur an Führungskräfte weiter, die dann entscheiden. (Und natürlich versuchen Economic Buyer ihre Entscheidungsvorlage häufig so zu gestalten, dass sich die Führungskräfte „richtig“ entscheiden.)
Während des gesamten Kaufentscheidungsprozesses stehen Economic Buyer unter besonderem Einfluss durch Influencer, Recommender und Saboteure.
Decision Maker
Zu den Decision Makern gehören – wie der Name bereits impliziert – alle Entscheider. In Organisationen sind das zum Beispiel Teamleiter, Abteilungsleiter und natürlich die Geschäftsführung. Aber auch im Privatkundengeschäft gibt es oft bestimmte Personen, die die finale Entscheidung über den Kauf eines Produktes treffen.
Je nach Situation kann es sich dabei natürlich auch um spezielle Gremien bzw. besondere Gruppen handeln. Außerdem kann je nach zu kaufendem Produkt die Rolle des Entscheiders zwischen verschiedenen Personen wechseln. Manchmal findet der Entscheidungsprozess aber auch durch bestimmte Prozesse oder Methoden statt. (Zum Beispiel als Abstimmung.)
Saboteur
Die letzte Rolle, die Du im Blick haben solltest, sind die sogenannten Saboteure. In Organisationen kann es zum Beispiel Personen (oder sogar ganze Gruppen bzw. Parteien) geben, die andere Ziele verfolgen und deshalb höchstwahrscheinlich auch andere Produkte favorisieren als Deines.
Aber auch im Privatkundengeschäft kann es Saboteure geben. Beispielsweise wenn es innerhalb einer Familie Personen gibt, die die Anschaffung Deines Produktes mit doofen Gegenargumenten torpedieren.

Wer davon ist jetzt geeigneter Interviewpartner?
Okay, soweit so gut. Aber musst Du jetzt wirklich alle diese sechs verschiedenen Rollen interviewen?! Nein, musst Du nicht. Denn im Grunde sind nur zwei Rollen für Dich als Interviewpartner wirklich relevant für Dich; nämlich User und Economic Buyer. Und je nachdem, welches Ziel Du mit Deinem Interview verfolgst, brauchst Du Dich dabei sogar nur auf eine Rolle als Interviewpartner fokussieren.
Ziel 1: Dein Produkt verbessern (User Experience)
Wenn Du Dein Produkt oder Deinen Service besser machen möchtest, werden Dir natürlich Deine Nutzer am meisten darüber verraten können, wie gut Dein Produkt aktuell ist und wo es noch besser werden könnte. Praktische Anwendungsfälle sind zum Beispiel Design-Thinking-Interviews.
Wenn es Dir darum geht, die User Experience Deines Produktes zu verbessern, solltest Du daher User Interviews durchführen und die Ergebnisse dieser Interviews auch in einer User Persona festhalten.
Ziel 2: Besseres Marketing
Anders liegt der Fall, wenn Du Dein Marketing verbessern möchtest und zum Beispiel Interessenten davon überzeugen möchtest, Dein Produkt zu kaufen. Natürlich spielen auch hier die Fähigkeiten und Features Deines Angebots eine Rolle. Aber eben nur eine eher untergeordnete. Für den Kauf Deines Produktes sind andere Faktoren oft viel wichtiger.
Wenn Du mehr über den Kaufprozess Deiner Kunden (auch Buyer’s Journey genannt) erfahren möchtest und die Ergebnisse dieser Interviews beispielsweise als Buyer Persona festhalten möchtest, solltest Du Dich auf Economic Buyer konzentrieren.
Von ihnen erfährst Du im Grunde alles, was Du wissen musst. Einschließlich relevanter Einflüsse durch Influencer, Recommender und Saboteure auf den Kaufprozess.
Das heißt, Du brauchst diese weiteren Personen bzw. Rollen nicht (unbedingt) als Interviewpartner in Betracht ziehen. Weil Dir die interviewten Economic Buyer ja schon sagen können, welchen Einfluss diese Personen auf sie ausgeübt haben. (Andererseits ist es natürlich nicht verboten Influencer, Recommender oder Saboteure zu interviewen, wenn es sich ergeben sollte.)
Auch die Bedeutung des Decision Makers solltest Du nicht überbewerten. Wie schon weiter oben erwähnt, treffen diese ihre Entscheidung sowieso auf Basis einer Vorlage mit 2 bis 3 Optionen, die durch den Economic Buyer erstellt wurde. Und auch hier können Dir interviewte Economic Buyer meist sehr genau sagen, welche Rolle Decision Maker im Kaufprozess spielten. (Hinzu kommt, dass Decision Maker gerade in größeren Unternehmen oder gar Konzernen sowieso nur schwer für Dich als Interviewpartner zu gewinnen sind.)
Mehr Infos, wann Du Economic Buyer oder User interviewen solltest, findest Du auch in meinem Artikel Kundeninterviews – So vermeidest Du die Zwillingsfalle!
Weitere potenzielle Interviewpartner
Neben diesen 6 Rollen gibt es noch ein paar weitere Rollen bzw. Gruppen, die Du als Interviewpartner in Betracht ziehen solltest. Zu den wichtigsten gehören dabei zum einen die sogenannten Power User und zum anderen Nichtkunden. (Ja, richtig gelesen!)
Power User
Power User sind diejenigen Nutzer, die Dein Produkt oder Deinen Service besonders intensiv oder sogar exzessiv nutzen. Als Interviewpartner sind sie deshalb so besonders wertvoll für Dich, weil sie Dir Informationen darüber liefern können, was Deine Value Proposition so einzigartig macht. Denn anscheinend bietest Du diesen Usern Features, die sie zu echten Fans Deines Produktes machen.
Power User können Dir deshalb dabei helfen, den wahren Kern Deines Produktes klar zu erkennen. Denn offensichtlich haben ihn diese Menschen bereits klar erkannt. Diese Informationen sind für Dich außerordentlich hilfreich, wenn es darum geht, Dein Positioning zu optimieren. Denn auf diese Weise kannst Du aktiv einen Kontext erzeugen, der Dein Produkt auch für alle anderen Kunden als absolut großartig erscheinen lässt. (Und hoffentlich auch ist.)
Nichtkunden als Interviewpartner
Wenn ich weiter oben schrieb, dass Du Economic Buyer interviewen solltest, wenn Du Dein Marketing verbessern möchtest, war das nur die halbe Wahrheit. Denn bestimmt hast Du gedacht, dass Du vor allem Deine Bestandskunden als Interviewpartner auswählen solltest. Natürlich kannst Du das auch tun. Der große Vorteil dabei ist ja auch, dass Du bereits Kontakt zu ihnen hast und eine Anfrage zum Interview wahrscheinlich auf fruchtbareren Boden fällt, als wenn Du auf der Straße wildfremde Menschen ansprichst.

Andererseits: Was kannst Du von ihnen schon erfahren, was Du nicht schon wüsstest? Denn offensichtlich hast Du bei diesen Menschen ja schon alles richtig gemacht. Sonst währen sie ja nicht Deine Kunden.
Spannender (und deutlich erkenntnisreicher) ist es für Dich, wenn Du Nichtkunden interviewst. Also zum Beispiel:
- Menschen, die Dich und Dein Produkt in Betracht gezogen haben, sich aber dann für einen Wettbewerber entschieden haben.
- Personen, die Dich und Dein Produkt in Betracht gezogen haben, aber dann alles so gelassen haben wie es ist.
- Menschen, die weder Dich noch einen Deiner Wettbewerber in Betracht gezogen haben, sondern eine vollkommen andere Lösung für sich gefunden haben.
In der Blue-Ocean-Strategie sind Interviews mit Nichtkunden sogar ein zentrales Element, um einen neuen Markt zu erschaffen, in dem Du keine Wettbewerber hast. Dort wird zwischen baldigen, ablehnenden und unentdeckten Nichtkunden unterschieden.
Fazit zu Interviewpartnern
Ich hoffe, ich konnte Dir mit den hier vorgestellten 6 Rollen sowie den Power Usern und Nichtkunden dabei helfen, passende Interviewpartner auszuwählen. Letztlich musst Du Dir immer zuerst klar darüber sein, was Du erreichen möchtest, welche Informationen Du dazu benötigst und von wem Du diese am besten bekommen kannst.
Natürlich ist es gerade bei Nicht-Kunden etwas aufwändiger, diese auch zu finden und sie dann auch noch davon zu überzeugen, ein Interview mit Dir zu führen. Aber aus eigener Erfahrung kann ich Dir jedoch sagen, dass Du durch sie sehr viele, sehr wertvolle Informationen erhältst.
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