Eine junge Frau mit roten Lippen und gestreiftem Shirt formt mit ihren Händen eine Art Fernglas um ihre Augen und schaut überrascht. Der rote Hintergrund verstärkt den ausdrucksstarken Blick. Dieses Bild symbolisiert das Entdecken blinder Flecken in der Buyer Utility Map – also ungenutzte Potenziale und versteckte Chancen im Kundenerlebnis, die durch eine gezielte Analyse sichtbar gemacht werden können.

Mit der Buyer Utility Map „Blinde Flecken“ erkennen

Die meisten Anbieter einer Branche konzentrieren sich alle auf die gleichen Aspekte, weil sie glauben, dass ihre Kunden bestimmte Erwartungen haben, die sie erfüllen müssten. Dadurch entsteht das, was auch häufig als „Branchenlogik“ bezeichnet wird. Wir bedienen den Markt wie alle anderen, weil wir glauben, dass es so sein müsse. Mit der Buyer Utility Map kannst Du diese Blinden Flecken in Deiner Branche aufdecken und Dir gezielt zunutze machen.

Buyer Utility Map vs. Customer Journey Map

Bevor wir uns intensiver mit diesem Tool der Blue-Ocean-Strategie beschäftigen, müssen wir die Buyer Utility Map zunächst von der (sehr viel bekannteren) Customer Journey Map abgrenzen, damit Du nicht beides miteinander verwechselst. Auf den ersten Blick wirken beide nämlich recht ähnlich, haben jedoch unterschiedliche Ziele und Anwendungsbereiche.

Die Customer Journey Map wird oft mit der Buyer Utility Map verwechselt
Die Customer Journey Map wird oft mit der Buyer Utility Map verwechselt

Die Buyer Utility Map setzt den Fokus auf die aktuelle Ausrichtung Deiner Branche und öffnet Deinen Blick für Innovationspotenziale. Sie hilft Dir dabei, die von Deiner Branche ignorierten Probleme zu entdecken. Das Ziel der Buyer Utility Map ist es, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und daraus eine neue Strategie abzuleiten.

Die Customer Journey Map hingegen konzentriert sich darauf, die Kundenerfahrung (Customer Experience) für ein bestehendes Produkt bzw. Service zu verbessern. Deshalb geht es hier um Emotionen und Aktionen von Kunden und welche Touchpoints diese Kunden mit Deinem Unternehmen auf ihrer Kundenreise haben. Das Ziel der Customer Journey Map ist es, diese Kundenreise zu optimieren und bewegt sich deshalb viel stärker auf einer operativen Ebene.

Buyer Utility Map und Customer Journey Map im Vergleich

Buyer Utility MapThemaCustomer Journey Map
Aktuelle Ausrichtung der Branche und Innovationspotenzial identifizierenFokusKundenerfahrung für einen bestehendes Produkt oder Service verbessern
Strategische PerspektivePerspektiveOperative Perspektive
Nutzenhebel und Hürden, die durch den aktuellen Markt ignoriert werdenFokusEmotionen & Aktionen des Kunden, Touchpoints mit dem eigenen Unternehmen
Entwicklung neuer GeschäftsmodelleZielOptimierung der aktuellen Kundenreise

Aufbau der Buyer Utility Map

Die Buyer Utility Map besteht aus zwei verschiedenen Dimensionen. Zum einen aus dem sogenannten Buyer Experience Cycle und zum anderen aus den Buyer Utility Levers.

  • Der Buyer Experience Cycle bildet den Zyklus ab, den ein Kunde durchläuft, wenn er Produkte oder Services Deiner Branche nutzt.
  • Die Buyer Utility Levers stellen so etwas wie verschiedene Aspekte oder Kaufmotive an jeder einzelnen Phase des Buyer Experience Cycles dar.

Die 6 Phasen des Buyer Experience Cycles

Der Buyer Experience Cycle umfasst insgesamt sechs verschiedene Phasen bzw. Stationen, die ein Kunde mit einem Produkt oder Service Deiner Branche üblicherweise durchläuft. Angefangen beim Kaufprozess bis hin zur Entsorgung eines Produktes, wenn er es irgendwann nicht mehr benötigt.

  1. Kauf: Welche Dinge müssen Kunden erledigen, wenn sie Produkte Deiner Branche kaufen möchten?
  2. Lieferung: Wie bringen Unternehmen Deiner Branche ihre Produkte und Dienstleistungen üblicherweise zum Nutzer?
  3. Nutzung: Wie werden Produkte Deiner Branche derzeit genutzt? Welche Dinge kann ein Kunde damit tun (und welche nicht)?
  4. Ergänzung: Gibt es ergänzende Produkte oder Dienstleistungen? Welche sind das und warum gibt es sie?
  5. Wartung: Müssen Produkte der Branche gewartet werden? Aus welchen Gründen geschieht das?
  6. Entsorgung: Was müssen Kunden tun, sobald sie Produkte der Branche nicht mehr benötigen? Wie können sie zu neuen Produkten wechseln?

Alternative Phasen im Buyer Experience Cycle

Die sechs Phasen des Buyer Experience Cycles sind natürlich sehr allgemein gehalten. Falls Du es für notwendig hältst, steht es Dir frei, ihn an Deine Branche anzupassen. Events der Veranstaltungsbranche benötigen sicherlich keine Wartung. Bist Du hingegen als Trainer in der Fortbildungsbranche tätig, kann es sinnvoll sein, den Buyer Experience Cycle um die Phase Wissenstransfer zu erweitern.

Du kannst jederzeit weitere Stationen hinzufügen oder vorhandene Stationen entfernen, solange es Dir dabei gelingt, die Reise von Kunden Deiner Branche vollständig darzustellen.

Buyer Utility Levers

Die Buyer Utility Levers sind sechs mögliche Hebel (engl. Lever), die Du auf jede Phase der Käufereise anwenden kannst. (Die Buyer Utility Levers haben übrigens viele Überschneidungen mit den bekannten Kaufmotiven.)

  1. Produktivität: Wie effektiv werden die Bedarfe von Kunden hinsichtlich Zeit, Aufwand und Geld gelöst?
  2. Einfachheit: Wie einfach sind die sechs Stationen des Buyer Experience Cycles gehalten?
  3. Komfort: Wie steht es bei Lösungen Deiner Branche hinsichtlich Annehmlichkeiten und Komfort?
  4. Sicherheit: Wie minimieren Branchenlösungen sowohl finanzielle, emotionale als auch soziale Risiken?
  5. Spaß & Image: Wie erhöhen die Produkte der Branche Spaß, Freude oder den Status ihrer Nutzer? Werden überhaupt (aktiv) Emotionen erzeugt oder gefördert?
  6. Umweltfreundlichkeit: Welche Lösungen werden angeboten, um unsere Umwelt zu schonen?

Die Buyer Utility Map im Überblick

Legst Du die 6 Phasen des Buyer Experience Cycles mit den 6 Buyer Utility Levers übereinander, erhältst Du eine Buyer Utility Map mit insgesamt 36 Möglichkeiten für innovative Geschäftsmodelle.

Die Buyer Utility Map in der Praxis

Finde den Branchenfokus

Wenn Du die Buyer Utility Map anwenden möchtest, solltest Du als erstes überlegen, wo Deine Branche aktuell ihren Fokus setzt. Du musst also sowohl die wichtigste Phase im Buyer Experience Cycle als auch den wichtigsten Buyer Experience Lever definieren.

In der Regel werden sich die meisten Anbieter Deines Marktes auf einen, maximal zwei Aspekte fokussieren. (Das heißt nicht, dass andere Bereiche der Buyer Utility Map vollkommen unbeachtet bleiben. Aber sie stehen eben nicht im Fokus.)

Die allermeisten Wettbewerber konzentrieren sich auf den Bereich Nutzung | Produktivität, weil sie glauben, dass ihren Kunden eine effiziente Anwendung ihrer Produkte am wichtigsten ist.

Identifiziere die Blinden Flecken Deiner Branche

Wenn Du den Fokus Deiner Branche festgelegt hast, geht es darum, die Hürden und Herausforderungen von Kunden zu entdecken, die sich außerhalb dieses Fokus befinden. Weil sich alle Anbieter auf ein oder zwei Bereiche konzentrieren, stehen Dir 34 bis 35 Möglichkeiten offen, den Fokus für Dein neues Geschäftsmodell woanders zu legen.

Stelle deshalb für jedes der nicht besetzten Felder Deiner Buyer Utility Map die Frage:

Was ist das größte Hindernis für Kunden meiner Branche bei diesem Utility Lever in dieser Phase des Buyer Experience Cycles?

Du gehst also jedes (freie) Feld Deiner Buyer Utility Map nacheinander durch und überlegst Dir, auf welche Probleme und Herausforderungen die Kunden Deiner Branche dabei stoßen. Natürlich musst Du dabei nicht für jedes Feld immer ein ungelöstes Problem (er-)finden. (Manchmal existieren auch einfach keine Herausforderungen.) Nichtsdestotrotz lohnt es sich, wenn Du Dir über jedes Feld der Buyer Utility Map ernsthaft Gedanken machst.

Hilfreiche Fragen für die Anwendung

Damit Dir die Arbeit mit der Buyer Utility Map ein wenig leichter von der Hand geht, habe ich hier ein paar Fragen zusammengestellt, die Dir dabei helfen:

  • Erzeugt meine Branche wissentlich oder unwissentlich Herausforderungen in der Käuferreise?
  • Führen diese Herausforderungen, dass Kunden zusätzliche oder vollkommen andere Produkte verwenden? Welche sind das und was tun sie?
  • Würden Kunden alternative Angebote nutzen, wenn diese Angebote die Herausforderungen beseitigen? Tun sie das bereits? Welche Alternativen sind das?
  • Könnten diese Herausforderungen auch Nichtkunden davon abhalten, Angebote meiner Branche zu nutzen?

Führe Interviews mit Kunden und Nichtkunden

Im zweiten Schritt solltest Du nicht versäumen, Interviews mit Kunden und Nichtkunden (Deiner Branche) zu führen. Die Buyer Utility Map hilft Dir dabei, bestimmte Bereiche in diesen Interviews anzusprechen:

  • „Erzähl mir davon, wie Du den Kauf von Angeboten (Produkten oder Dienstleistungen) meiner Branche erlebst!“
  • „Wie gelangen diese Angebote nach dem Kauf zu Dir? Gibt es dabei Probleme? Welche sind das?“
  • „Wie erlebst Du die Nutzung der Angebote?“
  • „Brauchst Du neben den Produkten oder Dienstleistungen noch weitere Produkte? Welche sind das? Warum sind sie notwendig?“
  • „Was passiert, wenn Angebote meiner Branche mal kaputt gehen oder defekt sind?“
  • „Hast Du schonmal den Anbieter gewechselt? Wie leicht war es, Dein bisheriges Produkt abzulösen? Was ist mit dem alten Produkt geschehen?“

Denke daran, dass Du nicht nur Deine eigenen Kunden befragst, sondern Kunden Deiner Branche. Du solltest deshalb auch Menschen interviewen, die bei einem Deiner Wettbewerber Kunde sind.

Case Study: Wie hp Blinde Flecken der Branche nutzt

Ein gutes Beispiel, um den Nutzen der Buyer Utility Map zu verdeutlichen, ist Instant Ink von Hewlett-Packard (hp). Dieses Tintenpatronen-Abo liefert automatisch neue Patronen, wenn die derzeit genutzten einen niedrigen Füllstand erreicht haben. Gleichzeitig können Abonnenten ihre leeren Tintenpatronen kostenfrei über einen Rücksendebeutel an hp senden, wo sie dann umweltfreundlich entsorgt werden.

Dieses Zusatzprodukt von hp besetzt damit Bereiche auf der Buyer Utility Map, die von der Branche zuvor unbeachtet waren:

Mehr dazu erfährst Du in meinem Artikel Das Add-on-Geschäftsmodell am Beispiel Instant Ink erklärt.

Templates & Vorlagen für die Buyer Utility Map

Falls Du eine Vorlage für die Buyer Utility Map benötigst, habe ich hier noch einige Links zu fertigen Templates für Dich zusammengestellt:

Fazit

Die Buyer Utility Map ist ein hilfreiches Werkzeug, um Innovationspotenziale in Deiner Branche zu erkennen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Im Gegensatz zur Customer Journey Map, die auf die Optimierung bestehender Kundenerfahrungen abzielt, bietet sie Dir eine strategische Perspektive, indem sie ungenutzte Chancen und Blinde Flecken im Markt aufdeckt.

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