Kano-Modell

Kano-Modell – Mit welchen Features begeisterst Du Deine Kunden?

Das Kano-Modell unterstützt Dich dabei, die Wichtigkeit von Produkt-Features für Deine Kunden und Nutzer zu bewerten. Tatsächlich ist es sehr eingängig und bietet Dir klare Kategorien, die Dir dabei helfen, die wichtigsten Features zu bedenken.

In diesem Artikel lernst Du, wie das Kano-Modell funktioniert und wie Du es in der Praxis anwenden kannst. Allerdings solltest Du die daraus resultierenden Ergebnisse zumindest mit Vorsicht genießen.

Ursprung des Kano-Modells

Das Kano-Modell wurde Ende der 70er Jahre von Noriaki Kano entwickelt, der durch die Analyse von Kundenwünschen entdeckte, dass diese ganz unterschiedlicher Art sein können. Nicht jedes neue Produktmerkmal erzeugt automatisch mehr Kundenzufriedenheit. Genauso wenig muss das Fehlen bestimmter Features nicht unbedingt dazu führen, dass Deine Nutzer dadurch unzufriedener sind.

Die wissenschaftliche Basis des Kano-Modell ist die Zwei-Faktoren-Theorie von Frederick Herzberg, die zwischen sogenannten Hygienefaktoren und Motivatoren unterscheidet. Allerdings ist dieses Fundament nicht sonderlich solide, denn die Zwei-Faktoren-Theorie steht empirisch betrachtet auf ziemlich wackligen Beinen. (Aber dazu mehr am Ende dieses Artikels im Abschnitt Kritik am Kano-Modell.)

Nichtsdestotrotz ist das Kano-Modell auch heute noch sehr populär und wird beispielsweise auch im Design Thinking oft angewendet.

Die 5 Merkmale des Kano-Modells

Noriaki Kano unterteilte Merkmale von Produkten in fünf unterschiedliche Kategorien, von denen jede eine andere Wirkung auf die Zufriedenheit von Kunden und Nutzern hat:

  1. Basismerkmale sind lediglich dazu geeignet, Unzufriedenheit zu vermeiden, können jedoch keine (zusätzliche) Zufriedenheit erzeugen.
  2. Leistungsmerkmale erzeugen Unzufriedenheit, falls sie fehlen. Sie können jedoch auch Zufriedenheit erzeugen, sofern sie gut umgesetzt sind.
  3. Begeisterungsmerkmale erzeugen (viel) Zufriedenheit bei Deinen Kunden und Nutzern. Ihr Fehlen führt allerdings nicht dazu, dass Deine Zielgruppe dadurch unzufriedener wird.
  4. Unerhebliche Merkmale haben gar keine Auswirkung auf die Zufriedenheit Deiner Kunden.
  5. Das Vorhandensein von Rückweisungsmerkmalen führt dazu, dass Deine Kunden dadurch unzufriedener werden und Dein Produkt schlimmstenfalls ablehnen.

Basismerkmale

Die Basismerkmale des Kano-Modells sind diejenigen Features Deines Produktes, die zu Unzufriedenheit bei Deinen Nutzern und Kunden führen, wenn sie fehlen. Allerdings erzeugen sie keine “zusätzliche” Zufriedenheit, sofern sie vorhanden sind. Deine Kunden erwarten schlichtweg, dass Dein Produkt diese Art von Features besitzt.

Höchstwahrscheinlich werden Kunden Basismerkmale nicht einmal explizit erwähnen, wenn Du sie fragst, was ihnen an Deinem Produkt wichtig ist, weil sie eben einfach voraussetzen, dass sie vorhanden sind.

Basismerkmale - Kano-Modell
Basismerkmale im Kano-Modell

Leistungsmerkmale

Die Leistungsmerkmale des Kano-Modells haben einen direkten Einfluss auf die Zufriedenheit Deines Kundensegments. Ihr Fehlen führt dazu, dass Deine Nutzer unzufrieden sind. Im Gegensatz zu Basismerkmalen führt das Vorhandensein von Leistungsmerkmalen jedoch dazu, dass die Kundenzufriedenheit steigt. (Sofern sie gut umgesetzt sind.)

In der Regel sind sich Deine Nutzer wichtiger Leistungsmerkmale sehr bewusst. In Interviews mit Deinen Nutzern sind es diejenigen Features, die sie explizit benennen (können). Auch in Verkaufsgesprächen werden Interessenten meist explizit danach fragen, weil es für sie wichtig ist, dass diese Features vorhanden sind.

Leistungsmerkmale - Kano-Modell
Leistungsmerkmale im Kano-Modell

Begeisterungsmerkmale

Die Begeisterungsmerkmale des Kano-Modells sind Besonderheiten Deines Produktes, mit denen Du Deine Kunden positiv überraschen kannst. Weil sie schlichtweg nicht damit rechnen.

Fehlen sie, bedeutet das daher auch, dass sich das nicht negativ auf die Zufriedenheit Deiner Nutzer auswirkt. (Denn sie sind ja bisher noch gar nicht auf die Idee gekommen, dass ein Produkt wie Deines, dieses Merkmal haben könnte.)

Begeisterungsmerkmale sind deshalb echte Wow-Features, die einen außergewöhnlich starken Einfluss auf die Kundenzufriedenheit haben.

Begeisterungsmerkmale - Kano-Modell
Begeisterungsmerkmale im Kano-Modell

Unerhebliche Merkmale

Features und Merkmale, deren Fehlen oder Vorhandensein weder einen positiven noch einen negativen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit haben, werden im Kano-Modell unerhebliche Merkmale genannt.

Eine potenzielle Idee als unerhebliches Merkmal zu identifizieren, stellt eine großartige Erkenntnis für Dich dar! Denn das bewahrt Dich davor, Aufwand, Energie und Zeit in die Entwicklung von Funktionen zu investieren, die keinerlei Auswirkung auf die Zufriedenheit Deiner Kunden haben werden.

Rückweisungs-Merkmale

Manche Merkmale oder Features erzeugen ausschließlich Unzufriedenheit bei Kunden und Nutzern. Sie führen meistens dazu, dass Produkte komplett abgelehnt werden. Rückweisungsmerkmale solltest Du deshalb in jedem Fall vermeiden.

Das Kano-Modell im Überblick

Bilden wir alle drei (relevanten) Produktmerkmale gemeinsam in einer Kano-Matrix ab, sieht das Ganze wie unten zu sehen aus. (Unerhebliche Merkmale und Rückweisungsmerkmale sind hier nicht abgebildet, weil sie keine Rolle für die Kundenzufriedenheit spielen.)

Beispiel zur Anwendung des Kano-Modells

Damit Du genauer verstehen kannst, wie das Kano-Modell in der Praxis angewendet wird, nehmen wir einmal eine ganz normale Internetseite als Beispiel. Welche Merkmale sollte sie haben? Welche besser nicht? Und mit welchen Features kannst Du als Webmaster für einen echten Wow-Effekt bei Deinen Besuchern sorgen?

Basismerkmale

Besucher Deiner Internetseite erwarten vor allem Übersichtlichkeit. Dein Menü sollte beispielsweise nachvollziehbar geordnet sein. Die Texte Deiner Blogartikel müssen klar durch Überschriften strukturiert sein, damit Deine Leser scrollen können, um für sie relevante Stellen zu finden. Die Texte selbst sollten in einer für Laien verständlichen Sprache gehalten sein und wenig bis gar kein Fachkauderwelsch enthalten.

Ebenso werden Deine Besucher stillschweigend voraussetzen, dass Deine Webseite auf Desktop-Rechnern, Tablets und Handys gleichermaßen gut funktioniert und responsive ist. Eine sichere Verbindung (über https://) gehört ebenfalls zum absoluten Standard, ebenso wie schnelle Ladenzeiten.

All das sind Basismerkmale, die Deine Besucher voraussetzen und die Du als Webmaster erfüllen solltest. Darüber hinaus wirst Du durch die Erfüllung dieser Anforderungen jedoch keine Begeisterungsstürme bei Deinen Lesern erzeugen.

Leistungsmerkmale

Daneben gibt es jedoch auch Merkmale einer Webseite, die aktiv zur Zufriedenheit Deiner Besucher beitragen und deshalb zu den Leistungsmerkmalen gehören.

Hierzu zählen beispielsweise optische Elemente wie Bilder, die Sachverhalte visualisieren, oder auch Tabellen, Icons, Content-Boxen und dergleichen mehr.

Begeisterungsmerkmale

Zu den Begeisterungsmerkmalen zählen alle Features, mit denen Deine Besucher nicht unbedingt rechnen, wenn sie Deine Internetseite besuchen. Hierzu zählen beispielsweise ein PDF-Download Deines Artikels, ein Audio-Format für jeden Deiner Beiträge, der als Podcast verfügbar ist, oder kurze Erklärvideos (die nicht von alleine starten).

Auch ein kostenloser Onlinekurs, mit dem Du Deinen Lesern ermöglichst, die Inhalte Deiner Blogartikel noch weiter zu vertiefen, ist ein Feature, das einen echten Wow-Effekt erzeugen kann.

Unerhebliche Merkmale

Ein individuell angepasster Scrollbalken des Browser oder die Möglichkeit, die Designfarbe Deiner Webseite von blau auf rot umzustellen, sind zwar nette Gimmicks, aber steuern wenig zur Zufriedenheit Deiner Besucher bei.

Vielen Deiner Leser (wenn auch nicht allen) wird es ebenfalls egal sein, ob Du eine Kommentar-Funktion in Deinem Blog anbietest. (Zumindest dann, wenn Du keine aktive Community hast.)

Rückweisungsmerkmale

Zu den Rückweisungsmerkmalen einer Webseite zählen Merkmale wie nervige Pop-ups, Werbung, automatisch startende Videos, Hintergrundmusik, die aktiv abgeschaltet muss, und dergleichen mehr. Im Grunde also alle Elemente, die Deine Besucher daran hindern, sich direkt mit dem zu beschäftigen, weshalb sie gekommen sind: Deinem Inhalt.

Hier noch einmal alle Merkmale für das Beispiel “Webseite” im Überblick:

Produkt-FeatureKategorie im Kano-Modell
  • Übersichtlichkeit (Überschriften, Gliederung etc.)
  • Verständliche Sprache
  • Optimierung für mobile Geräte
  • Sichere Verbindung über https://
  • Schnelle Ladezeiten
Basismerkmal
  • Bilder mit Diagrammen & Grafiken
  • Tabellen
  • Icons
  • Content-Boxen
  • etc.
Leistungsmerkmal
  • Artikel als Audio-Format (Podcast)
  • Download als PDF
  • Zusätzliche Videos
  • Vertiefende Onlinekurse
Begeisterungsmerkmal
  • Individualisierter Scrollbalken im Browser
  • Anpassbare Designfarbe
  • Kommentarfunktion im Blog
Unerhebliches Merkmal
  • Pop-ups mit WerbungAutomatisch startende VideosAutomatisch startende Hintergrundmusik
Rückweisungsmerkmal
Merkmale einer Webseite nach Kategorien des Kano-Modells

Das Kano-Modell anwenden

Die Frage, die sich Dir an dieser Stelle wahrscheinlich stellt, ist: Wie kannst Du nun die Features Deines Produktes zu einer der fünf Kategorien des Kano-Modells zuordnen? Möglich wird das über einen speziellen Fragebogen, den Du von Deiner Zielgruppe (oder auch einer Testgruppe) beantworten lässt.

Bipolare Fragen zu Merkmalen und Features

Das Besondere an diesem Fragebogen ist, dass alle Fragen bipolar aufgebaut sind. (Experten sprechen auch von funktionaler und dysfunktionaler Frage.)

  • Was würdest Du sagen, wenn unser Produkt über Feature X verfügt?
  • Was würdest Du sagen, wenn unser Produkt nicht über Feature X verfügt?

Dein Interviewee hat nun jeweils fünf verschiedene Optionen, um beide Fragen zu beantworten.

  1. Das würde mich sehr freuen.
  2. Das setze ich voraus.
  3. Das ist mir egal.
  4. Das nehme ich gerade noch hin.
  5. Das würde mich sehr stören.

Fragen und Antwort-Optionen im Überblick

Für jedes Feature muss Dein Interviewee also immer zwei Fragen beantworten und sich für jeweils eine von fünf Antwort-Optionen entscheiden.

Auswertung des Fragebogens über die Kano-Matrix

Die Antworten Deiner Umfrage kannst Du dann über eine Kano-Matrix auswerten, sodass Du – je nach Antwort – weißt, in welche Kategorie ein Feature gehört.

Festlegung der Kategorie für jedes Feature

Ganz zum Schluss addierst Du für jedes Ergebnis die Anzahl der Nennungen für jedes Feature und kannst auf diese Weise jedes Merkmal einer Kategorie des Kano-Modells zuordnen.

Gewöhnungseffekt & Evolution von Produkten

Bei Deinen Kunden entsteht durch die Nutzung von Features ein gewisser Gewöhnungseffekt. Das bedeutet für Dich, dass ein ursprüngliches Begeisterungsmerkmal mit der Zeit zu einem Leistungsmerkmal und später sogar zu einem Basismerkmal wird.

Darüber hinaus kann es passieren, dass Deine Mitbewerber erfolgreiche Features Deines Produktes kopieren, sodass Produkte unterschiedlicher Anbieter einander immer ähnlicher werden. Dieses Phänomen nennt sich auch Commodity-Falle.

Kritik am Kano-Modell

Auch wenn das Kano-Modell sehr populär ist, hat es einige (teilweise gravierende) Nachteile, die ich Dir an dieser Stelle nicht verschweigen möchte.

Empirisch fragwürdig

Wie eingangs erwähnt basiert das Kano-Modell auf der Zwei-Faktoren-Theorie von Frederick Herzberg. Diese steht jedoch empirisch gesehen auf recht wackeligen Beinen und gilt in der Motivationsforschung als überholt. Auch wenn die verschiedenen Kategorien dieses Modells sehr nachvollziehbar scheinen, ist die Unterteilung in Hygiene- und Motivationsfaktoren zumindest fragwürdig.

Hoher Aufwand bei der Ermittlung von Feature-Kategorien

Ein weiterer Aspekt, der gegen das Kano-Modell spricht, ist der hohe Aufwand, den Du betreiben musst, um Features Deines Produktes einer Kategorie zuzuordnen. Je nach Anzahl der Features kann es für die Teilnehmer Deiner Umfrage recht nervtötend sein, jede Frage zweifach zu beantworten.

Gemeinsame Workshops mit Kunden, wie die Product Box oder Buy a Feature, sind hier deutlich interaktiver. Sie bieten Dir mindestens gleichwertige Erkenntnisse über die Wünsche und Bedarfe Deiner Zielgruppe.

Fokus auf Features statt auf die Jobs to Be Done Deiner Kunden

Der größte Nachteil des Kano-Modells ist jedoch der Fokus auf Merkmale oder Features Deines Produktes. Das Kano-Modell gibt Dir keine Antwort darauf, welchen Job to Be Done ein Feature für Deine Nutzer erledigen soll, welche Herausforderungen oder Probleme sie dabei haben oder warum ein bestimmtes Feature entsprechend bewertet wurde.

Fokus auf die Anziehungskraft Deines Produktes

Ein letzter wichtiger Kritikpunkt am Kano-Modell ist der Fokus auf die “Anziehungskraft” Deines Produktes (Attraction), die Interessenten zum Kauf bewegen soll. Neben diesen sogenannten Pull-Faktoren, existieren jedoch noch drei weitere Felder, die vom Kano-Modell nicht erfasst werden:

  1. Problems (Push-Faktoren)
  2. Uncertainty (Ungewissheit)
  3. Habit (Gewohnheit)

Potenziell kann Deine Produktidee deshalb jede Menge Begeisterungs- und Leistungsmerkmale besitzen, aber Deine Zielgruppe hat mit seiner aktuellen Lösung derzeit gar keine Probleme. Vielleicht sind Deine Interessenten sich auch unsicher, ob Dein neues und unbekanntes Produkt überhaupt so funktioniert wie gedacht. Oder sie scheuen den hohen Aufwand, ihre momentane Lösung abzulösen.

Mehr zu den vier Bereichen Attraction, Problem, Uncertainty & Habit erfährst Du in meinem Artikel über das Four Forces of Progress Framework.

Fazit zum Kano-Modell

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Du das Kano-Modell einerseits sehr systematisch anwenden kannst, weil die Teilnehmer Deiner Umfrage einen standardisierten Fragebogen beantworten müssen. Andererseits solltest Du die Ergebnisse Deiner Umfrage mit Vorsicht genießen, da sie (wissenschaftlich betrachtet) nicht sonderlich verlässlich sind.

Falls Du noch Fragen zum Kano-Modell hast, schreib mir gerne einen Kommentar hier unten auf der Seite! Ich würde mich freuen von Dir zu hören, wie Du zu diesem Modell stehst und wie Deine Erfahrung bei der Anwendung des Modells sind.

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