Portfolio Map

Wie funktioniert die Portfolio Map?

Viele Gründer und Solo-Selbständige haben Schwierigkeiten damit, das Heute mit dem Morgen ihres Geschäftsmodells in Einklang zu bringen. Vielleicht ergeht es Dir ja gerade genauso und Du steckst “knietief im Tagesgeschäft”, ohne Dich darum zu kümmern, Dich für die Zukunft gut aufzustellen. Mit der Portfolio Map von Alexander Osterwalder gelingt es Dir, einen ganzheitlichen Blick auf Deine aktuelle Situation zu werfen und Gegenwart und Zukunft besser miteinander in Einklang zu bringen.

Exploration vs. Exploitation

Als Solo-Selbstständiger und Gründer musst Du (genauso wie große Konzerne oder Unternehmen) zwei gegensätzliche Themenfelder miteinander in Einklang bringen. Die Rede ist von Exploration und Exploitation.

  • Exploration steht dabei für die Suche nach neuen, innovativen Geschäftsideen, die Deine zukünftige Existenz sichern sollen.
  • Exploitation hingegen ist die Optimierung (und der Schutz) Deines aktuellen Geschäftsmodells.

Kurz gesagt: Das eine ist “Arbeit im Business”, das andere “Arbeit am Business”. Denn einerseits musst Du natürlich dafür sorgen, dass Dein Tagesgeschäft optimal läuft. (Nur so kann es Dir gelingen, Deine innovativen Ideen überhaupt erst zu finanzieren.) Andererseits darfst Du die Erforschung und Entwicklung neuer Geschäftsideen sowie strategische Kurswechsel nicht vernachlässigen und musst wenigstens einen Teil Deiner zeitlichen und finanziellen Ressourcen auf diesen Bereich verwenden.

ExplorationAspekteExploitation
“Suche” und “Durchbruch”FokusEffizienz und Wachstum
Große UngewissheitGewissheitGeringe Ungewissheit
Risiko- & WagniskapitalFinanzielle AspekteStetiger Geldzufluss
Agile Methoden wie zum Beispiel Design ThinkingVorgehensweiseLineare Innovation, Vorhersagbarkeit & Planung
Unvermeidbare IrrtümerFehlerkulturVermeidbare Fehler
Ausführlicher gehe ich auf das Spannungsfeld der beiden Themenfelder in meinem Beitrag Exploration vs. Exploitation ein.

Aufbau der Portfolio Map

Die Portfolio Map von Alexander Osterwalder vereint die Domänen Exploration und Exploitation in einer Gesamtübersicht und macht auf diese Weise sowohl Deine innovativen Geschäftsideen als auch Dein bereits existierendes Geschäftsmodell sichtbar.

Ziel bei der Arbeit mit der Portfolio Map ist es dabei, Geschäftsideen vom unteren linken Bereich in den oberen rechten Bereich zu bewegen und dadurch aus dem Exploration Portfolio heraus in das Exploitation Portfolio zu verlagern. Dabei gehorchen die beiden Domänen jedoch unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten, wodurch sich ein Exploration und ein Exploitation Portfolio ergibt.

Aufbau der Portfolio Map
Grundaufbau der Portfolio Map

Das Exploration Portfolio

In diesem Bereich Deiner Portfolio Map bildest Du Deine innovativen Geschäftsideen ab. Das können komplette Geschäftsmodelle, einzelne Value Propositions oder auch nur Ideen für einzelne Bausteine Deines Geschäftsmodells sein. Ihnen allen ist jedoch gemeinsam, dass sie noch keinen oder nur einen minimalen (finanziellen) Nutzen für Dich bzw. Deine Kunden stiften. Deshalb ist auch noch vollkommen unklar, ob die Elemente Deines Exploration Portfolios überhaupt in tragfähige Geschäftsmodelle transformiert werden können oder nicht.

Dimensionen

Für Geschäftsmodelle im Exploration-Bereich Deiner Portfolio Map geht es darum, den Expected Return zu maximieren und gleichzeitig das Innovation Risk zu senken.

  • Expected Return: Wie lukrativ ist die Geschäftsidee für Dich, sofern sie erfolgreich sein sollte? (Wobei “lukrativ” nicht ausschließlich finanziellen Profit meint, sondern auch soziale oder emotionale Wirkung bedeuten kann.)
  • Innovation Risk: Wie hoch ist das Risiko, dass Deine Idee fehlschlägt? Welche haltbaren Belege hast Du für den Erfolg Deiner Geschäftsidee?
Expected Return vs. Innovation Risk - Portfolio Map (Exploration)

Innovationsrisiko

Das Innovationsrisiko Deiner Geschäftsidee bezieht sich auf vier verschiedene Bereiche, die für ein erfolgreiches Business Model erfüllt sein müssen. Osterwalder nennt diese Aspekte auch Desirability, Feasibility, Viability und Adaptability.

  1. Desirability (gelb) beantwortet die Frage, ob es Menschen gibt, die Bedarf an Deiner Idee haben. Falls ja, wie erfahren sie davon und wie gelangt sie zu ihnen?
  2. Feasibility (blau) beantwortet die Frage, ob und vor allem wie es Dir möglich ist, die Value Proposition herzustellen bzw. zu produzieren.
  3. Viability (grün) steht für die Lebensfähigkeit Deines Geschäftsmodells. Wie generierst Du Einnahmen, die höher sind als Deine Ausgaben, die bei der Herstellung Deiner Idee entstehen?
  4. Adaptability (rot) bedeutet, dass Dein Geschäftsmodell sich an die unterschiedlichsten, von außen kommenden Veränderungen anpassen kann.
Desirability Feasibility Viability Adaptability
Desirability Feasibility Viability & Adaptability auf dem Business Model Canvas

Während Du die ersten drei Bereiche Desirability, Feasibility und Viability mit Hilfe des Business Model Canvas abbilden kannst, lässt sich die Adaptability Deines Geschäftsmodells mit der Business Model Environment Map auf Herz und Nieren prüfen.

Exploration-Kurve

Bei der Arbeit im Exploration Portfolio geht es darum, durch Tests und Experimente oder zum Beispiel einem Design-Thinking-Prozess aus einer innovativen Idee ein tragfähiges Geschäftsmodell zu machen, das Du in Dein Exploitation Portfolio übertragen kannst. Kurz gesagt bedeutet das, dass Du nacheinander den Problem Solution Fit, den Product Market Fit und dann den Business Model Fit erzielst.

Im Optimalfall durchläuft Deine innovative Geschäftsidee in diesem Bereich der Portfolio Map deshalb drei aufeinander folgende Phasen:

  1. Discovery: Du entdeckst konkrete Kundenwünsche und hast eine anfängliche Idee, wie Du diese erfüllen kannst.
  2. Validation: Du hast Deine Geschäftsidee getestet und belastbare Belege dafür gesammelt, dass sie wirklich funktionieren kann.
  3. Acceleration: Ab einem bestimmten Punkt werden Deine Tests dann umfangreicher und konkreter.
Exploration Portfolio Journey Hotspot Image

Diese Abfolge ist natürlich nur eine Idealvorstellung, die in der Praxis niemals vorkommt. Stattdessen werden Situationen eintreten, in denen Du Teile oder sogar Dein gesamtes Geschäftsmodell hinterfragen musst. Diese Momente nennt Osterwalder Reality Check.

Sie führen dazu, dass Du Deine Geschäftsidee (stark) verändern musst, damit sie tragfähiger wird: Change of Direction. Das bedeutet natürlich, dass Du die Phasen Discovery, Validation und Acceleration mit dem von Dir angepassten Geschäftsmodell erneut durchlaufen musst.

Das Exploitation Portfolio

Das Exploitation Portfolio ist der Teil der Portfolio Map, der Dein bereits existierendes Geschäftsmodell abbildet. Vereinfacht gesprochen sind das diejenigen Geschäftsmodelle, die bereits irgendeine Form von Profit für Dich generieren bzw. Nutzen oder Wert für Deine Kunden stiften. Im Gegensatz zum Exploration Portfolio geht es hier jedoch darum, diesen Nutzen zu verbessern und Dein Geschäftsmodell gleichzeitig vor Veränderungen in Deinem Markt zu beschützen bzw. es daran anzupassen.

Dimensionen

Für Geschäftsmodelle im Exploitation-Bereich Deiner Portfolio Map steht im Fokus, den Return zu optimieren und gleichzeitig das Death & Disruption Risk zu minimieren.

  • Return: Wie lukrativ ist Dein Business Model aktuell und wie ließe es sich der finanzielle Profit bzw. Wert für Deine Nutzer durch Veränderungen noch weiter steigern?
  • Death & Disruption Risk: Wie hoch ist das Risiko, dass Dein Geschäftsmodell stirbt oder durch neue Produkte oder Services von Konkurrenten abgelöst wird?
Return vs. Death & Disruption Risk - Portfolio Map (Exploitation)

Disruptions-Risiko

Das Death & Disruption Risk entsteht durch zwei unterschiedliche Faktoren. Zum einen kann ein internes Risiko entstehen, weil Dein Business Model von Wettbewerbern leicht zu kopieren ist. Zum anderen unterliegt Dein Geschäftsmodell auch Veränderungen und Bedrohungen durch externe Kräfte. Genau wie beim Innovationsrisiko geht es dabei um den Aspekt Adaptability, der sich in die vier Bereiche Schlüsseltrends, Marktkräfte, makroökonomische Kräfte und Branchenkräfte unterteilt.

  • Schlüsseltrends: Gesetzliche, technologische, gesellschaftliche oder auch soziökonomische Trends
  • Marktkräfte: Veränderte Marktsegmente, neue Wünsche und Bedarfe bei Deinen Kunden & Nutzern, veränderte Kaufkraft
  • Makroökonomische Kräfte: Globale Marktbedingungen, Veränderungen in Deiner ökonomischen Infrastruktur etc.
  • Branchenkräfte: Veränderungen in Deiner Lieferkette, neue Stakeholder, Neueinsteiger & Start-ups, neue Ersatzprodukte & Dienstleistungen

Wenn Du Dir einen genauen Überblick über Deine aktuelle Situation verschaffen möchtest, kannst Du auch hier die Business Model Environment Map dazu verwenden, um eine Vielzahl an Faktoren zu durchdenken.

Exploitation-Kurve

Auch in diesem Bereich der Portfolio Map gibt es eine “optimale Abfolge” von Phasen, um Dein Business Model in den oberen rechten Bereich des Exploitation Portfolios zu bewegen bzw. es dort zu halten. Im besten Fall durchläuft es dabei die drei Phasen Scale, Boost und Protect.

  1. Scale: Bei diesem Schritt geht es darum, ein vielversprechendes Geschäftsmodell auf allen Ebenen zu erweitern und voranzutreiben.
  2. Boost: Erweiterung Deines skalierten Geschäftsmodells durch weitere Innovationen, neue Kanäle und die Erschließung angrenzender Märkte.
  3. Protect: Absicherung Deines Geschäftsmodells gegen Wettbewerber und die Verbesserung der Effizienz.
Exploitation Portfolio Journey Hotspot Image

Genauso wie beim Exploration Portfolio sind die Phasen des Exploitation Portfolios lediglich ein idealisierter Verlauf. Früher oder später wird auch in Deinem Markt die Situation eintreten, dass sich Rahmenbedingungen und Voraussetzungen verändern, sodass Disruption entsteht. (Beispielsweise durch neue Mitbewerber, die innovative Produkte anbieten, die Du selbst dummerweise für vernachlässigbar gehalten hast.)

Für Dein bisher erfolgreiches Geschäftsmodell bedeutet das, dass es früher oder später in Bedrängnis gerät. Der Nutzen, den es bisher verlässlich gestiftet hat, sinkt und das Disruption Risk steigt: Crisis.

Begegnen kannst Du dieser Situation nur, wenn Du versucht, Dein Business Model zu überarbeiten und den neuen Rahmenbedingungen anzupassen. Diese Phase nennt Osterwalder dann Shift & Reemergence. (Alternativ ist natürlich auch denkbar, dass Du Dich von Deinem bisherigen Geschäftsmodell komplett verabschiedest und es durch eine innovative Geschäftsidee aus Deinem Exploration Portfolio ersetzt.

Ein hilfreiche Möglichkeit, den Prozess der Geschäftsmodellinnovation aktiv und strukturiert zu gestaltet, bietet beispielsweise der Business Model Navigator der Universität St. Gallen.

Fazit zur Portfolio Map

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Portfolio Map ein wirklich gutes Werkzeug ist, um den aktuellen Stand Deiner innovativen, neuen und existierenden Geschäftsmodelle sichtbar zu machen.

Zum einen erhältst Du mit ihr einen ganzheitlichen Blick, durch den ermitteln kannst, ob Du überhaupt in beiden Bereichen, Exploration und Exploitation, tätig bist. (Spoiler: Wahrscheinlich nicht.) Zum anderen kannst Du mit der Portfolio Map die Position von neuen und alten Geschäftsmodellen im Exploration bzw. Exploitation Portfolio näher bestimmen und daraus sinnvolle Handlungsschritte für Dich ableiten.

Allerdings ist die Visualisierung mit Hilfe der Portfolio Map immer nur ein erster Schritt. Um einen wirklich genauen Überblick zu erhalten, musst Du darüber hinaus auch auf Tools wie die weiter oben erwähnte Business Model Environment Map oder den Business Model Navigator zurückgreifen.

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