
Explorative Interviews mit Kunden & Nutzern führen
Stell Dir vor, Du entwickelst eine großartige Geschäftsidee, investierst Zeit und Geld – und dann stellt sich heraus, dass niemand Dein Produkt wirklich braucht. Klingt frustrierend? Genau das passiert aber vielen Solo-Gründern, weil sie zu früh Annahmen treffen, ohne ihre potenziellen Kunden wirklich zu verstehen. Explorative Interviews helfen Dir dabei, tief in die Welt Deiner Nutzer einzutauchen, ihre Probleme, Bedürfnisse und Entscheidungsprozesse zu erkennen.
Besonders in Kombination mit der Jobs-to-Be-Done-Methode (JTBD) kannst Du herausfinden, welche Aufgaben Deine Kunden erledigen möchten, welche Hürden sie dabei haben und welche Ergebnisse sie sich dabei wirklich wünschen. In diesem Artikel erfährst Du, warum explorative Interviews so wertvoll sind, wie sie sich von anderen Methoden unterscheiden und wie Du sie nutzen kannst, um Dein Business auf Erfolgskurs zu bringen.
Inhaltsverzeichnis
Was sind explorative Interviews?
Explorative Interviews helfen Dir dabei, besser zu verstehen, was Deine potenziellen Kunden wirklich denken, fühlen und brauchen. Statt einem starren Fragenkatalog zu folgen, gehst Du bei explorativen Interviews flexibel auf das ein, was Deine Gesprächspartner erzählen. So kannst Du tief in ihre Gedankenwelt eintauchen und wertvolle Einblicke gewinnen, um Probleme, Bedürfnisse, Verhaltensweisen und Kundenwünsche aufzudecken, die Dir sonst vielleicht entgehen würden.

Abgrenzung zu anderen Interviewformen
Während explorative Interviews offen und flexibel sind, gibt es einige andere Interviewformen, die deutlich stärker strukturiert sind:
- Strukturierte Interviews folgen einem festen Fragebogen mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten. Sie eignen sich besonders für quantitative Analysen, lassen Dir aber wenig Raum für individuelle Vertiefung.
- Halbstrukturierte Interviews kombinieren feste Fragen mit der Möglichkeit, tiefer nachzuhaken.
- Umfragen bestehen meist aus standardisierten Fragen mit Multiple-Choice-Antworten und sind nützlich, um Trends in großen Gruppen zu erkennen. Sie eignen sich aber eher zur Validierung von bereits vorhandenen Informationen, die Du in explorativen Interviews entdeckt hast.
Explorative Interviews helfen Dir besonders dann, wenn Du noch sehr wenig über Deine Zielgruppe oder ein Problem weißt. Sie ermöglichen es Dir, erste Annahmen zu formulieren oder bestehende Hypothesen zu hinterfragen, bevor Du mit validierenden Methoden arbeitest.
Explorative Interviews im Design Thinking & Lean Startup
Sowohl im Design Thinking als auch beim Lean Startup gehören explorative Interviews zum absoluten Standardprogramm. Denn oft ist es schwer, von Anfang an genau zu wissen, welche Probleme Deine Nutzer wirklich haben oder welche Lösungen sie bevorzugen.
- Design Thinking hilft Dir, nutzerzentrierte Lösungen zu entwickeln. Mit explorativen Interviews findest Du heraus, welche Herausforderungen, Motivationen und Frustrationen Deine Zielgruppe hat.
- Lean Startup setzt auf schnelles Lernen und frühes Kundenfeedback. Bevor Du Zeit und Geld in die Entwicklung steckst, kannst Du mit explorativen Interviews Deine Ideen zunächst auf den Prüfstand stellen.

Beispiele für den Einsatz explorativer Interviews
Kundenprobleme verstehen
Du planst eine neue Software für Freelancer. Bevor Du jedoch „im stillen Kämmerlein“ Funktionen definierst, sprichst Du zunächst mit potenziellen Nutzern und findest heraus, dass das größte Problem nicht fehlende Tools oder Funktionen sind, sondern mangelnde Struktur im Arbeitsalltag.
Personas entwickeln
Du willst nachhaltige Mode verkaufen, aber weißt noch nicht genau, wer Deine idealen Kunden sind. Durch explorative Interviews findest Du heraus, dass es zwei interessante Zielgruppen gibt: bewusst lebende Minimalisten und stilorientierte Käufer mit Nachhaltigkeitsanspruch. Basierend auf Deinen Interviews entwickelst Du daraus passende User Personas.
Geschäftsideen validieren
Du überlegst, eine App für elternfreundliche Coworking-Spaces zu entwickeln. Durch explorative Interviews mit Eltern findest Du heraus, dass ihr Hauptproblem nicht die Verfügbarkeit von Räumen ist, sondern fehlende Kinderbetreuung. Das gibt Dir die Gelegenheit, Deine Geschäftsidee entsprechend anzupassen.
Explorative Interviews sind ein mächtiges Werkzeug, um versteckte Kundenbedürfnisse frühzeitig zu entdecken und Deine Produkte oder Dienstleistungen gezielt darauf auszurichten.
Vorteile von explorativen Interviews
Gerade als Solo-Gründer hast Du meistens nur sehr begrenzte Ressourcen. Explorative Interviews sind eine der effizientesten Methoden, um frühzeitig Klarheit über Deine Zielgruppe und deren Bedürfnisse zu gewinnen, und bieten Dir eine Menge Vorteile.
Zeit & Geld sparen, Risiken minimieren
Erstens sparst Du durch explorative Interviews Zeit & Geld. Statt direkt (und mit hohem Risiko) in die Entwicklung Deines Produktes oder Deiner Dienstleistung zu investieren, die schlimmsten am Markt vorbeigehen, erkennst Du sehr früh, was wirklich gefragt ist. Dadurch minimierst Du Dein Risiko, Deine Ressourcen in die falsche Richtung zu lenken.
Tiefe Einblicke & Erkenntnisse
Zweitens gewinnst Du tiefere Einblicke in die Welt Deiner Kunden und Nutzer als zum Beispiel durch Umfragen. Denn durch die offene Gesprächsführung bekommst Du häufig auch unerwartete Antworten und entdeckst Probleme, die Kunden selbst nicht klar benennen können. Du erkennst nicht nur, was Deine Kunden wollen, sondern auch warum sie es wollen.

Besseres Marketing & Positioning
Drittens kannst Du dieses bessere Verständnis für Deine Zielgruppe dazu nutzen, Dein Marketing, Dein Positioning und Deine Value Proposition zu optimieren.
Hypothesen validieren
Viertens bist Du mit Hilfe von explorativen Interviews in der Lage, Deine Hypothesen schnell zu validieren und anzupassen. Denn bevor Du mit größeren Tests oder sogar einem ersten Minimum Viable Product beginnst, kannst Du Deine Annahmen auch im direkten Gespräch mit potenziellen Nutzern und Kunden überprüfen.
Beziehungsaufbau
Ein weiterer Vorteil ist, dass Du durch explorative Interviews frühzeitig Beziehungen zu Deinen ersten Kunden aufbaust. So kannst Du zum Beispiel auch erste Beta-Tester identifizieren oder vorherige Interviewpartner zu einer Fokusgruppe oder Workshops einladen.
Explorative Interviews & Jobs to Be Done
Falls Du Dich fragst, wie Du nun genau herausfindest, was Deine Kunden wirklich antreibt, empfehle ich Dir, Dich intensiver mit der Jobs-to-Be-Done-Methode (JTBD) zu beschäftigen. JTBD unterstützen Dich dabei, nicht in den „Lösungsmodus“ zu kippen und mit in Deinem Interview über Deine Produktidee zu sprechen, sondern ein klares Bild von der Lebenswelt Deiner Interviewees zu zeichnen.
Warum JTBD & explorative Interviews perfekt zusammenpassen
In explorativen Interviews geht es in erster Linie darum, die Jobs, Pains & Gains Deiner Kunden und Nutzer zu entdecken. Außerdem möchtest Du mehr über den Kontext und die Situation erfahren, in der diese Aufgaben durchgeführt werden und welche aktuelle Lösung Deine Interviewpartner derzeit verwenden.

Gute explorative Interviews konzentrieren sich deshalb auf die folgenden fünf Themenfelder:
- Welche Aufgaben und Doings möchten Deine Nutzer erledigen? Wo möchten sie Fortschritte machen? Was könnte besser sein? (Customer Jobs, JTBD)
- Welche Probleme und Herausforderungen entstehen dabei? (Customer Pains)
- Welche Ergebnisse wünschen sich Deine Nutzer, wenn ihre Aufgaben gut erledigt wurden? Wie wird der JTBD gut durchgeführt? (Customer Gains)
- Unter welchen Umständen und in welchen Situationen versuchen Deine Interviewpartner ihre JTBD zu erledigen? In welchem Kontext wird der JTBD erledigt?
- Mit welchen Mitteln und Lösungen erledigen sie ihre JTBD aktuell? Wo müssen sie auf Workarounds zurückgreifen, weil es derzeit noch nichts Besseres gibt?
Alle Fragen, die Du Deinen Interviewpartnern stellst, müssen darauf abzielen, diese fünf Themenfelder präzise zu verstehen.
Ideen und Inspiration, wie Du danach fragen kannst, findest Du in meinem Artikel 41 Fragen für Interviews mit Kunden und Nutzern.
Emotionale, funktionale & soziale JTBD
Zweitens musst Du bei Deinen explorativen Interviews darauf achten, Dich nicht ausschließlich auf rein funktionale Aspekte zu konzentrieren. Bei Jobs to Be Done wird deshalb zwischen funktionalen, emotionalen und sozialen JTBD unterschieden.

- Funktionale Jobs to Be Done sind konkrete Aufgaben oder To-dos Deiner Kunden, die sie gerne erledigen möchten, um Fortschritt zu erzielen. Beispielsweise Die Kinder zur Schule bringen, An einen Termin denken oder Einen Kredit beantragen.
- Mit emotionalen Jobs to Be Done erfasst Du, welches Gefühl oder welche Stimmung Deine Zielgruppe erreichen möchte. Ein Beispiel hierfür könnte etwa Nach der Arbeit entspannen sein.
- Bei sozialen Jobs to Be Done geht es hingegen darum, wie Deine Interviewpartner von anderen wahrgenommen oder beurteilt werden (wollen). Etwa Von Kollegen bewundert werden oder Als Trendsetter wahrgenommen werden.
Varianten explorativer Interviews
Meistens werden explorative Interviews vor allem bei sogenannten User Interviews genutzt, weil es um die konkrete Anwendung von aktuellen Lösungen geht. Wenn Du zum Beispiel schon Nutzer hast, die Dein Produkt verwenden, möchtest Du verstehen, wie es in ihren Alltag passt. Oder Du interviewst Nutzer von Produkten Deiner Konkurrenten, um Ideen dafür zu entwickeln, wie Du es mit Deinem eigenen Produkt besser machen könntest.
Allerdings kann es auch sinnvoll sein, die Käufereise (Buyer’s Journey) besser zu verstehen und den Fokus damit auf alles zu lenken, was vor der Nutzung bzw. dem Kauf geschieht.
Switch Interviews
Switch Interviews sind eine Variante explorativer Interviews, die häufig in Kombination mit der JTBD-Methode genutzt wird. Hierbei geht es jedoch weniger darum, die Lebenswelt Deiner Nutzer besser zu verstehen, sondern die vorangegangene Käuferreise Deiner jetzigen Nutzer nachzuzeichnen.

Der „Switch“ ist dabei derjenige Punkt, an dem sich Kunden für eine neue Lösung entscheiden und ihre bisherige ablösen.
Interviews mit Käufern
Ähnlich wie bei Switch Interviews geht es bei explorativen Interviews mit Käufern darum, Dein Marketing und Dein Positioning zu optimieren. Die eigentliche bzw. spätere Nutzung Deines Produktes oder Deiner Dienstleistung steht dabei jedoch nicht im Vordergrund.
Ziel dieser Art von Interviews ist es, ein präzises Bild der Buyer’s Journey zu zeichnen und mehr über die folgenden fünf Punkte zu erfahren:
- Was sind die Auslöser dafür, dass Kunden sich auf die Suche nach neuen Lösungen machen?
- Welche Verbesserungen erhoffen sie sich von einem Produktwechsel?
- Welche Hemmnisse sorgen dafür, dass der Kauf nicht stattfindet oder sich die Kaufentscheidung hinauszögert?
- Auf welche Quellen vertrauen Käufer, wenn sie sich über Alternativen informieren?
- Nach welchen Kriterien fällen sie ihre finale Entscheidung?
Wenn Du Dich hierzu ausführlicher informieren möchtest, lege ich Dir meinen Artikel Wie Du eine wirklich hilfreiche Buyer Persona erstellst ans Herz.
Fazit
Richtig angewendet sind explorative Interviews ein entscheidendes Werkzeug, um Dein Business auf die richtige Spur zu bringen. Sie helfen Dir, nicht im eigenen Kopf steckenzubleiben, sondern echte Kundenbedürfnisse zu erkennen, statt blind irgendwelche Annahmen zu treffen. Besonders die Jobs-to-Be-Done-Methode unterstützt Dich dabei, ein präzises Bild von der Lebenswelt Deiner Nutzer zu zeichnen.
Gerade als Solo-Gründer, der mit begrenzten Ressourcen arbeitet, sind explorative Interviews der Schlüssel, um Risiken zu minimieren, Fehlentscheidungen zu vermeiden und innovative Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln.
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